Dass sich Willie Nelson seiner Sterblichkeit bewusst ist, zeigen auch die zahlreichen Tribut-Auftritte in der letzten Zeit. Sowohl beim Jonny Cash-Tribut-Album "Forever Words" als auch beim Country Music-Best-Of "Restoration" mit Songs von Elton John und Bernie Taupin steuerte er seine ganz eigenen Interpretationen hinzu. Jetzt folgt sein neues Album "Last Man Standing" und es ist auch ein Rückblick auf vergangene Jahre und verlorene Kollegen.
Last Man Standing: Musikalisch voller Energie
Viele Musiker wie Lee Ann Womack oder John Oates werden in späteren Jahren ihres Lebens sehr melancholisch. Beim Rückblick auf ihre Zeit auf Erden mit all ihren Höhen und Tiefen werden sie sentimental und lassen dies in ihre Alben einfließen. Das ist überhaupt nicht verwerflich und hat auch schon den ein oder anderen unvergesslichen Welthit zutage gefördert.
Willie Nelson allerdings, oha, dieser Mann ist völlig anders. In ihm steckt eine unbändige Kraft, die anscheinend niemals versiegt. Auch sein neustes Album "Last Man Standing" sprüht so voller Energie, dass man nicht glauben mag, dass der Musiker auf die 90 zugeht. Noch immer ist seine Stimme kraftvoll, einzigartig, energiegeladen. Sentimentale Klänge sucht man hier vergebens.
Es mangelt Willie Nelson nicht an Sentimentalität
Dabei ist es nicht so, dass die Texte von "Last Man Standing" keine Melancholie bieten. Bereits der gleichnamige Opener bietet textlich so viel Melancholie, dass es fast einer Abrechnung gleichkommt. Allerdings wurde der Text nicht in langsame und düstere Klänge verpackt, sondern zittert geradezu vor Energie. Und so geht es gnadenlos weiter. Egal ob "Don't Tell Noah" oder "Ready to Roar", fast alle Stücke laden zum Tanzen ein.
Nur sehr selten werden auch die Melodien ruhiger. So etwa bei "Bad Breath", "Heaven is Closed" oder "I'll Try to Do Better Next Time". Gerade einmal vier der elf Songs gehen ruhiger ans Werk. Alle anderen haben den typischen Willie Nelson-Sound und geben ordentlich Gas. Allerdings klingen gerade die schnelleren Songs oftmals sehr ähnlich und sind auch sehr kurz. Länger als drei Minuten gehen nur sehr wenige Einspieler. Vielleicht ist dies auch der Tribut ans Alter.
Last Man Standing: Texte mit Augenzwinkern
Es spricht für Willie Nelsons Humor, dass gerade die schnelleren Songs oftmals die melancholischeren Texte besitzen, während die langsamen Lieder bissige und zynische Texte beinhalten. Ein Beispiel wäre "Bad Breath", welches vom Klang eine traurige Ballade sein könnte. Im Text geht es allerdings darum lieber einen schlechten Atem zu haben, als gar keinen. Recht hat der Mann!
Musikalisch bewegt sich Willie Nelson mit "Last Man Standing" auf bekannten Bahnen. Alle Songs bewegen sich zwischen Country Music, Blues und Folk. Dazu gehören eben auch die klassischen Instrumente. Hier macht die Musiklegende keine Experimente. Fans des Musikers können bedenkenlos zugreifen. Wer Willie Nelson bisher nur vom Hörensagen kennt, findet mit "Last Man Standing" einen guten Einblick in sein musikalisches Talent. Bitte bleib uns noch lange erhalten Willie!
Fazit: Mit Last Man Standing zeigt Willie Nelson, dass er immer noch nicht zum alten Eisen gehört. Wir wollen mehr davon.
Label: Legacy (Sony) | VÖ: 27. April 2018 |
01 | Last Man Standing |
02 | Don't Tell Noah |
03 | Bad Breath |
04 | Me and You |
05 | Something You Get Through |
06 | Ready to Roar |
07 | Heaven is Closed |
08 | I Ain't Got Nothin' |
09 | She Made My Day |
10 | I'll Try to Do Better Next Time |
11 | Very Far to Crawl |