Früher, als er noch mit Staind zu Gange war, schrie sich Aaron Lewis die Seele aus dem Leib. Er hatte einen kahl rasierten Schädel und Piercings in den Augenbrauen. Das Fachmagazin Hit Parader listete den Shouter im Jahr 2006 auf Platz 49 der besten 100 Heavy Metal Sänger. Diesen Spitzenplatz hat Aaron Lewis vor ein paar Jahren freiwillig geräumt, als er 2012 mit "The Road" ein astreines Country-Album präsentierte. Mit "Sinner" setzt er den Country-Kurs nun fort - konsequent, überzeugend und leidenschaftlich.
Aaron Lewis: vom gepiercten Rockstar zum Vollblut-Country-Act
So wie er vom "Sinner"-Album-Cover aus dem Fenster eines alten Pickups herausblickt, bringt man den Mann zu keinem Ton mit seiner früheren Rock-Vergangenheit in Verbindung. Die Metamorphose ist längst auch optisch vollzogen: bulliger Typ mit Rauschebart und einer Kappe, wie sie Jäger gerne tragen. Was nicht unbedingt verwunderlich ist, in einem Interview erzählte er, dass er seit seinem vierten Lebensjahr zum Jagen gehe. Ein echter Redneck also? Vermutlich. Als bekennender Trump-Anhänger, Mitglieder der Republikaner und Songs wie dem biografisch gemeinten "Northern Redneck" macht der aus New England stammende Sänger aus seiner Geisteshaltung keinen Hehl. Ob das nun sympathisch ist, bleibt dahingestellt.
Unstrittiger ist da schon seine Musik. In Songs wie dem Opener und Titeltrack "Sinner" - bei dem ihm Willie Nelson gesanglich zur Seite steht - und dem erwähnten "Northern Redneck" serviert er astreinen Country-Rock. Solide, ungekünstelt, packend, aber auch gefühlvoll melodiös. Doch der Mann hat auch ein Anliegen. Das wird spätestens im zweiten Song der von Buddy Cannon produzierten CD deutlich. In "That Ain't Country" poltert der zum Country-Puristen konvertierte Ex-Rockstar ungeniert über den Verkauf der Genre-Traditionen. In einem für viel Wirbel sorgenden Interview wurde er noch deutlicher, da schimpfte er über Acts wie Luke Bryan und Sam Hunt, die - seiner Meinung nach - die Werte der Country Music verrieten.
"Sinner" setzt Schwerpunkt auf Balladen und ruhige Songs
Nach Aaron Lewis steht Country Music für traurige, seelenvolle und nachdenkliche Geschichten und typischen Twang, für Pedal Steel-Gitarren, Mandolinen und Dobros - und das alles fährt er auch bei "Sinner" auf. Songs wie "Lost And Lonely", "I Lost It All", "Mama" oder "Story of my Life" klingen genauso, wie es die Songtitel erahnen lassen: gefühlvoll, emotional und ganz und gar im traditionellen Country verankert. Sogar der obligatorische Drinkin' Song, das geschickt getextete "Sunday Every Saturday Night", klingt bei ihm balladesk verkatert.
In diesen - und weiteren - Eigenkompositionen belegt er, dass er auch als Interpret in Nashville angekommen ist. Und er beweist Geschmack: Mit Chris Stapletons "Whiskey And You" und der Bruce Robinson-Komposition "Travelin' Soldier" wählte er für das Album zwei erstklassige Cover-Versionen. In der ersten Liga spielen natürlich auch seine musikalischen Mitstreiter: Neben Paul Franklin (Steel Guitar), Kevin "Swine" Grantt (Bass), Brent Mason (Gitarre), Dan Tyminski (Mandoline) und Mickey Raphael (Harmonika) steuern die ebenfalls ganz auf Roots gepolten Superstars Vince Gill und Alison Krauss gefühlvolle Background Vocals bei.
Wie es scheint, liegt Aaron Lewis mit seiner traditionellen Country-Interpretation gerade goldrichtig. Immerhin eroberte "Sinner" die Billboard 200-Charts im Sturm. Eine Meisterleistung, die zumindest Sam Hunt bisher noch vorbehalten blieb. Wer weiß, vielleicht sollte sich auch er mehr den Wurzeln der Musik annähern?
Fazit: Der zum Country-Sänger konvertierte Ex-Rockstar Aaron Lewis verweist mit "Sinner" auf die Traditionen des Country - und landet damit einen Volltreffer. Spätestens jetzt wird klar, dass Back to the Roots das Gebot der Stunde ist.
Label: Dot (Universal) | VÖ: 30. September 2016 |
01 | Sinner (mit Willie Nelson) |
02 | That Ain't Country |
03 | Whiskey and You |
04 | Northern Redneck |
05 | Mama |
06 | Sunday Every Saturday Night |
07 | Lost And Lonely |
08 | Story of my Life |
09 | Stuck In These Shoes |
10 | I Lost It All |
11 | Travelin' Soldier (von Zoe Jane Lewis) |