Wie Harp-Spieler Mickey Raphael in den Liner-Notes schreibt, jammen Willie Nelson und Bobbie regelmäßig gemeinsam im Tourbus. Willie mit seiner geliebten Trigger im Arm, Bobbie Nelson mit einem kleinen Keyboard auf den Knien. "Sie jammen ihre Lieblingssongs", schreibt er da, und so sei auch die Idee zu "December Day - Willie's Stash Volume1" entstanden: "Why not record our favorite songs like we play them for ourselves?"
Dieser Ansatz lässt eine entspannte Herangehensweise erwarten - was aber bei Willie Nelson ohnehin seit jeher gilt. Nun aber zieht der graubärtige Country-Held - der auf dem Coverfoto eher wie Bobbies Vater, als deren Bruder wirkt - (erneut) eine persönliche Bilanz seines Studio- und Tourlebens. Songs aus rund sechs Jahrzehnten: Klassiker, Evergreens, längst vergessene Titel und verschollene Perlen.
Insgesamt 18 Titel haben Willie und Bobbie aus dem meterdicken Archiv ausgegraben und sie gemeinsam mit ihren treuen Begleitern - darunter der erwähnte Mickey Raphael und Drummer Billy English - eingespielt. Die Tonregie übernahm erneut Buddy Cannon - und er machte erneut einen guten, einen einfühlsamen und unaufgeregten Job. Das Ergebnis: purer, schlichter, schnörkelloser Country und Real-Book-Songs. Ein nostalgisches Erlebnis.
Dafür sorgt gleich mal der Auftakt: "Alexander's Ragtime Band", 1911 vom großen Irving Berlin komponiert. Klimperndes Piano, ein schnurrender Kontrabass, ein swingender Snaredrum-Groove. Trigger spielt eine Kindermelodie, Willie singt mit seiner urtypischen Wind- und Wetter-Stimme. Musik, die in ihrer lässigen Vintage-Ausstattung an einen Stummfilm mit Buster Keaton denken lässt. Eine Assoziation, die sich übrigens mehrfach im Verlauf der CD anbietet. So auch bei "Always" (ebenfalls eine Berlin-Komposition) und auch bei dem finalen "Ou-Es Tu, Mon Amour / I Never Cared For You", Jahrgang 1943, komponiert von Emile Stern und Henri LeMarchand.
Natürlich hält das Album auch eine Django-Reinhardt-Komposition bereit. Schließlich ist Willie Nelson ein erklärter Fan der Gipsy-Jazz-Ikone. Mit dem rund 75 Jahre alten "Nuages" huldigt er ihm gekonnt, entlockt er seiner Trigger rasante Jazz-Läufe. Nicht schlecht, Herr Nelson!
Natürlich nehmen sich die beiden Nelsons und ihre Begleiter auch Songs aus eigener Herstellung zur Brust. Willie-Nelson-Titel wie das in den frühen 60ern entstandene "Permanently Lonely", das herrliche, zehn Jahre später geschriebene "Who'll Buy My Memories", "Walkin'" aus dem Jahr 1974 sowie "My Own Peculiar Way" und "I Let My Mind Wander", beides Geschöpfe aus den Sixties.
Falls es noch eines Beweises bedurfte, dass Willie Nelson in seiner Karriere stets Songs für die Ewigkeit erschuf - hier ist er. Das gilt auch für die zwei neuen Tracks: Das natürlich rührselige, natürlich hoffnungslos nostalgische "I Don't Know Where I Am Today" und das anschließende, an eine Mozart-Klavier-Fingerübung mit Harp-Begleitung erinnernde "Amnesia". Ein skurriler Titel des letzten echten Outlaws des Country. Cooler Hund, der Willie.
Fazit: Willie nimmt seine Schwester Bobbie mit ins Rampenlicht - und lässt wieder mal sechs Jahre Karriere Revue passieren. Lässiger geht Country nicht.
Label: Legacy (Sony) | VÖ: 28. November 2014 |
Titelliste
01 | Alexander's Ragtime Band | 10 | The Anniversary Song |
02 | Permanently Lonely | 11 | Laws of Nature |
03 | What'll I Do | 12 | Walkin' |
04 | December Day | 13 | Always |
05 | Nuages | 14 | I Let My Mind Wander |
06 | Mona Lisa | 15 | Is The Better Part Over |
07 | I Don't Know Where I Am Today | 16 | My Own Peculiar Way |
08 | Amnesia | 17 | Sad Songs And Waltzes |
09 | Who'll Buy My Memories? | 18 | I Never Cared For You |