Wie muss man drauf sein, wenn man - wie Asleep At The Wheel - in der gesamten Karriere nie etwas anderes gemacht hat als den eigenen, den ureigenen Sound? Stur? Starrköpfig? Unbelehr- und unbeirrbar? Oder einfach: geradlinig, überzeugt und charakterfest? Vermutlich sind beide Interpretationen dieser Frage gültig. Denn eine gewisse Sturheit gehört schon auch dazu, wenn man 50 Jahre lang den - mehr oder weniger - gleichen Sound-Cocktail anrührt. Andererseits ist es auch eine Charakterfrage, sich nicht von Moden und Hypes korrumpieren zu lassen und stets auf seine eigenen Tugenden, Fähigkeiten und eigenen Geschmack zu setzen. Letztendlich gibt der schon lange andauernde Erfolg der Band absolut recht. Asleep At The Wheel sind längst Kult und Country-Kulturgut. Eine Band, die mit ihrem fröhlichen Western-Swing noch jede Party rettet, noch jeden Auftritt zum Happening macht.
Schönes Geburtstagsgeschenk: "Half a Hundred Years"
Doch auch auf CD funktioniert das Konzept vortrefflich, wie acht Grammys verdeutlichen. Vermutlich darf man sogar die nächsten Awards schon für sie bereitstellen. Denn für ihr Jubiläums-Album hat sich die Formation um die drei immer noch aktiven Gründungsmitglieder - Sänger und Gitarrist Ray Benson, Schlagzeuger Leroy Preston und Reuben Gosfield an der Steelguitar - schwer ins Zeug gelegt: 19 neue Songs plus Stargäste wie Willie Nelson, George Jones, Lyle Lovett, Lee Ann Womack und Emmylou Harris. Doch der Reihe nach...
Mit dem Titeltrack steigen Asleep At The Wheel in das Album ein. Ein, für ihre Verhältnisse, gemäßigter, im Midtempo-Bereich angesiedelter Country-Blues. Trotzdem zeigen sie gleich in dem dreieinhalbminütigen Opener, was die Band draufhat und was sie auszeichnet: klasse Groove, schmissige, einer Bigband gerecht werdender Bläsersatz, Virtuosen an den Saiteninstrumenten und: eine ordentliche Portion Mutter- und Sprachwitz. Angeblich hat sie Jamey Johnson zu dem Songtitel inspiriert, wie Ray Benson dem Album anmerkt: "Ich habe ihn vor einer Weile live gesehen und habe ihm nach seiner Show gesagt, dass wir in diesem Jahr unser 50. Jubiläum feiern. Daraufhin hat er nur trocken bemerkt: 'Das ist ein halbes Jahrhundert!' Das klang für mich nach einem guten Songtitel, also habe ich noch am selben Abend den Track geschrieben."
Schon beim zweiten Song, "It's the Same Old South", eröffnet "Half a Hundred Years" den Stargäste-Reigen mit Chris O'Connell. Die routinierte Roots-Sängerin steht mir ihrer Bars- und Saloons-gefärbten Stimme der Asleep At The Wheel-Herrenriege gleich bei vier Songs zur Seite. Beispielsweise auch bei dem superflotten "Bump Bounce Boogie" - ein waschechter Rock 'n' Roll-Boogie, der an den guten, alten Jerry Lee Lewis denken lässt. Zumindest wenn Band-Keyboarder Floyd Domino in die Tasten haut. Klarer Fall also von retro. Aber auch von musikalischer Klasse, die sich das Prädikat "zeitlos" verdient.
In bestechender Form: Asleep At The Wheel
Vielleicht ist es genau das: Dass sich Asleep At The Wheel schon seit jeher aktuellen Strömungen entzogen und damit irgendwie immer angesagt blieben. Wie cool die Band auch nach 50 Jahren ihren Handwerk nachgeht, zeigt sich in vielen Songs der CD: In dem komplex arrangierten, dabei trotzdem lässigen "There You Go Again" (mit Lyle Lovett), in dem traditionell-kecken "The Letter That Johnny Walker Read" (mit einer köstlichen Lee Ann Womack im Refrain), im schmissigen, mit feuriger Fiddle versehenen Texas-Swing "Take Me Back to Tulsa" (Stargäste: George Jones und Willie Nelson!) oder in dem nicht minder temperamentvollen Instrumental "The Wheel Boogie", bei dem die Band ihr hochtalentiertes Musiker-Personal vorführt. Alle Songs in Premium-Qualität.
Weitere Glanzlichter der Jubiläums-Sause setzen der lustig getextete Shuffle "I Love You Most of All" (" ... the time I love you best is when youre east when I´m west ..."), die swingende Version von "(Get Your Kicks on) Route 66" und der einzige richtig langsame Song, die Ballade "The Road Will Hold Me Tonigh" mit der sie "Half Hundred Years" (gemeinsam mit Emmylou Harris und Willie Nelson) feierlich und würdig beenden. Auf die nächsten 50 Jahre!
Fazit: Asleep At The Wheel feiern mit "Half a Hundred Years" ihren 50. Band-Geburtstag – Stargäste wie Willie Nelson, George Strait, Lyle Lovett und Emmylou Harris feiern mit. Die perfekte Western-Swing-Sause!
Label: Home / Thirty Tigers (Membran) | VÖ: 1. Oktober 2021 |
01 | Half a Hundred Years |
02 | It's the Same Old South |
03 | I Do What I Must |
04 | There You Go Again (mit Lyle Lovett) |
05 | My Little Baby |
06 | Paycheck to Paycheck |
07 | Word to the Wise (mit Bill Kirchen) |
08 | That's How I Remember It |
09 | The Photo |
10 | I Love You Most of All (When You're Not Here) |
11 | The Wheel Boogie |
12 | Take Me Back to Tulsa (mit George Strait & Willie Nelson) |
13 | The Letter That Johnny Walker Read (mit Lee Ann Womack) |
14 | Bump Bounce Boogie (mit Chris O'Connell, Katie Shore & Elizabeth McQueen) |
15 | Miles and Miles of Texas |
16 | (Get Your Kicks on) Route 66 (mit Leroy Preston, Johnny Nicholas & Ray Benson) |
17 | Marie (mit Willie Nelson) |
18 | Spanish Two Step (mit Johnny Gimble & Jesse Ashlock) |
19 | The Road Will Hold Me Tonight (mit Emmylou Harris & Willie Nelson) |