Willie Nelson - I Don't Know a Thing About Love: The Songs of Harlan Howard

CD Cover: Willie Nelson - I Don't Know a Thing About Love: The Songs of Harlan Howard

Mit "I Don't Know a Thing About Love: The Songs of Harlan Howard" veröffentlicht Willie Nelson weiteres Tribute-Album an einen großen Country-Songschreiber.

Das muss man eigentlich nicht mehr erwähnen, dass Willie Nelson ein Phänomen ist. Nicht nur, weil er am 29. April seinen 90. Geburtstag feiert und - trotz biblischen Alters ¬- fit klingt vital ist, sondern auch, weil Willie Nelson in seiner schier unglaublichen Karriere auch kompetent mit Jazz und dem Great American Songbook flirtete und sich trotzdem zu keiner Zeit künstlerisch verbogen hat. Nie! Willie Nelson war, ist und bleibt Willie Nelson.

Zu den vielen Facetten seiner sagenumwobenen Persönlichkeit gehört auch, dass er die Leistungen anderer Musikgrößen respektiert und ehrt. Beispielsweise in Tribute-Alben. Nach einer vor nicht langen Zeit erschienenen Verneigung vor seinem früheren Freund, Frank Sinatra, (womit wir beim Jazz wären) würdigt er mit "I Don't Know a Thing About Love" den wohl nur Insidern bekannten Country-Songwriter Harlan Howard.

Großartige Würdigung: "I Don't Know a Thing About Love: The Songs of Harlan Howard"

Ein hehres Anliegen. Denn der 2002 im Alter von 74 Jahren in Nashville verstorbene Songschreiber-Fürst schrieb in seiner Karriere Hunderte von Songs, von denen einige zu Klassikern des Genres avancierten. Egal ob Howard einen Love- oder Drinkin'-Song, einen Titel mit sozialkritischer Note oder einen Lasst-uns-tüchtig-feiern-Track schrieb, er beherzigte stets sein eigenes, zum Kult gewordenes Songschreiber-Credo: "Three Chords and the Truth". Also: musikalisch simpel halten und inhaltlich bei der Wahrheit bleiben. Klingt einfach und ist doch so schwer.

Sechs Alben hat Howard Harlan in seiner Karriere als Solo-Interpret unter das Volk gebracht. Wie so häufig, waren es aber die Interpretationen von Country-Stars, die seine Kompositionen in die Hitparaden führten. Ray Price schaffte das mit "Heartaches by the Number", Patsy Cline mit der Jahrhundert-Ballade "I Fall to Pieces", Charlie Rich mit "She Called Me Baby” und mit Howards' "Busted” landeten sowohl Ray Charles als auch Johnny Cash einen Volltreffer. Im Jahr 1973 wurde Harlan Howard in der "Nashville Songschreibers Hall of Fame" und 1997 in der "Country Music Hall of Fame" aufgenommen.

Gut 20 Jahre nach seinem Tod erinnert nun Willie Nelson mit den zehn Titeln von "I Don't Know a Thing About Love" an seinen früheren Wegbegleiter. Er macht das, wie es nur Willie machen kann: kompetent, gefühlvoll, respektvoll. Sehr traditionell einerseits und zeitgemäß andererseits. Kurzum: mit "I Don't Know a Thing About Love" gelingt ihm erneut ein Top-Album. Für den Auftakt der CD sorgt "Tiger by the Tail", den Howard in den frühen 60er Jahren gemeinsam mit Buck Owens schrieb. Ein Titel, der zu Owens' Signature-Song wurde. Der flotte Country-Rock 'n' Roller definierte überdies das Country-Sub-Genre "Bakerfield Sound".

Howard war aber auch ein Meister der Ballade. Das zeigt sich bereits im nächsten Song, in "The Chokin' Kind". Waylon Jennings landete damit einen Hit, eine spätere Aufnahme von Joe Simon brachte dem Sänger sogar einen Grammy ein. Das könnte natürlich auch Willie Nelson wieder passieren. Schließlich ist er heute, mit knapp 90 Jahren, vielleicht sogar besser denn je. Das zeigt sich auch in seiner Version dieser großartigen Ballade, die er gefühlvoll und ohne jeden Wackler bei der Intonation präsentiert. Wer wissen will, wie authentischer Country klingt, wird hier fündig.

Willie Nelson: mit fast 90 in der Form seines Lebens?

Das gilt natürlich auch für die weiteren Tracks von "I Don't Know a Thing About Love": "Excuse Me (I Think I've Got a Heartache)”, bei dem erneut Buck Owens seine Finger im Songwriting-Spiel hatte, "Life Turned Her That Way", ein Erfolg für Mel Tillis, oder der wunderschöne, gemächliche Country-Folk des Titeltracks, den Conway Twitty in den 80ern auf Platz eins der Charts sang.

Natürlich darf bei dieser wunderbaren Nachlass-Verwaltung das bluesige, soulige "Busted" nicht fehlen. Ein Song, der scheinbar etwas mit dem Interpreten macht. Denn nach Ray Charles und Johnny Cash läuft auch Willie Nelson hier zur absoluten Höchstform auf – sowohl als temperamentvoller Sänger als auch als fingerflinker Gitarrist mit seiner berühmten "Trigger". "She Called Me Baby" ist freilich auch mit von der Harlan Howard-Partie: ein unverwüstlicher, melancholischer, trotzdem irgendwie leichter Song, mit vielleicht etwas mehr als drei Akkorden aber garantiert voller Wahrheiten.

Buddy Cannon, Willies alter Spezi, hat erneut für die Produktion gesorgt, 1-A-Musiker wie Larry Paxton (Bass), Jim "Moose" Brown (Piano), Lonnie Wilson (Drums) und der unverzichtbare Mickey Raphael (Harmonica) besorgen den Rest.

Fazit: "I Don't Know a Thing About Love: The Songs of Harlan Howard” bietet zehn zeitlose Country-Songs, interpretiert vom unverwüstlichen Willie Nelson. Mehr Country geht nicht.

Label: Legacy (Sony) VÖ: 3. März 2023
Disk 1
01 Tiger by the Tail
02 The Chokin' Kind
03 Excuse Me (I Think I've Got a Heartache)
04 Life Turned Her That Way
05 I Don't Know a Thing About Love
06 Streets of Baltimore
07 Busted
08 She Called Me Baby
09 Too Many Rivers
10 Beautiful Annabel Lee
vgw
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