Und so verkörpert der 1937 im kalifornischen Bakersfield geborene und unter schweren Umständen aufgewachsene Sänger und Songschreiber wie kaum ein anderer die Countrymusic der letzten vier Dekaden. Er prägte das Genre - und er beeinflußte eine ganze Heerschar von Country- und auch Rockacts. Doch kaum jemand kam an das Charisma und die musikalischen und erzählerischen Fähigkeiten des knorrigen Ex-Insassen von San Quentin heran. Warum? Weil sich Haggard nie auf belanglose Love- oder Party-Songs verstand, immer eine klare - oft genug - unbequeme Message bereit hielt.
So war der dreifache Grammy- und sechsfache CMA-Award-Gewinner sogar für Grateful Dead-Gitarrist Bob Weir ein leuchtendes Vorbild. Im Booklet der CD gesteht die Ikone der Flower-Power-Bewegung: "Merle Haggard war ein Hero für uns Hippie-Musiker". Trotz seiner Ode an das Stammtisch-Niveau in der amerikanischen Provinz "Okie From Muskogee". Freilich fehlt dieser Titel bei der Zusammenstellung genau so wenig, wie "Today I Started Loving You Again", "Mama Tried" und "If We Make It Through December" - drei Songs, die laut der Umfrage des Magazins "Country America" zu den 100 besten Country-Songs aller Zeiten gehören.
Dass Merle in dieser Liste "nur" mit drei Titel vertreten ist, ist eigentlich eine Schande. Man muss sich ja nur dieses Album anhören. Schon stößt man wie auf einer Kette aneinander gereiht, auf eine Genre-Perle nach der nächsten: Energische Titel wie "Workin' Man Blues", "I'm Bringing Home Good News", das wunderschöne "Silver Wings" oder - einer seiner sanfteren Titel überhaupt - das Mut machende "I Takea Lot of Pride in What I Am".
Die CD hält aber nicht nur die enorm fruchtbare und mit vielen Nummer-eins-Hits geschmückte Schaffensperiode gemeinsam mit seinem Manager und Produzenten Charles "Fuzzy" Owen in den 60er und 70er Jahren bereit, die Zusammenstellung beleuchtet auch seine größten Erfolge in den 80er Jahren: "I Think I'll Just Stay Here And Drink", "Big City" und das herrliche Duett mit Willie Nelson "Pancho And Lefty". Dass die 90er Jahre nicht Haggards Jahrzehnt waren, wird auch hier klar - kein Track aus der Dekade ist hier vertreten. Dafür aber beweisen vier Titel nach der Jahrtausendwende, dass er wie ein Phoenix aus der Asche auf erstiegen ist: "I'm Leaving Now", das von Rick Rubin produzierte Gänsehaut-Duett mit Johnny Cash, "Runaway Mama", "That's The News" und das bereits erwähnte Doppel mit Country-Rabauke Toby Keith.
Fazit: Wo Merle Haggard drauf steht, ist Country drin: zeitlose Qualität von Nashvilles wildem Mann. Haggard-Neueinsteiger ist diese CD wärmstens empfohlen.Label: Capitol Nashville (EMI) | VÖ: 20. Oktober 2006 |
Titelliste
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01 | The bottle let me down | 14 | Someday we'll look back |
02 | Branded man | 15 | If we make it through december |
03 | Sing me back home | 16 | Things aren't funny anymore |
04 | The legend of Bonnie and Clyde | 17 | Honky tonk night time man |
05 | Today I started loving you again | 18 | Old man from the mountain |
06 | Mama tried | 19 | Living with the shades pulled down |
07 | I take a lot of pride in what I am | 20 | I think I'll just stay here and drink |
08 | I'm bringing home good news | 21 | Big city |
09 | Hungry eyes | 22 | Pancho and lefty (mit Willie Nelson) |
10 | Workin' man blues | 23 | I'm leaving now (mit Johnny Cash) |
11 | Silver wings | 24 | Runaway mama |
12 | Okie from Muskogee | 25 | That's the news |
13 | The fightin' side of me | 26 | She ain't hooked on me no more (mit Toby Keith) |
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