Willies altgedienter Produzent Buddy Cannon hat erneut die Regie übernommen. Und erstklassige Arbeit geleistet indem er eine direkte, intime Atmosphäre schuf, mit luftigen Arrangements und - natürlich - hervorragenden virtuosen Leistungen aller beteiligten Akteure. So wähnt man sich beim Durchhören der CD live im Studio bei den Aufnahmen. Oder man fühlt sich als Gast bei einem kleinen Clubkonzert der beiden Größen.
Django and Jimmie. Das ist nicht nur ein guter Albumtitel und ein ausgezeichneter, von Jimmy Melton und Jeff Prince wundervoll entworfener Old-School-Country-Song: Der Titel macht sich auch als Metapher gut. Denn von Gipsy-Jazz-Ikone Django Reinhardt, Willie Nelsons großer Gitarristen-Einfluss, ist es ein weiter Weg zu Jimmie Rodgers, dem Country-Pionier aus Mississippi in den 20er Jahren. Der Titel ist somit auch ein Statement für Toleranz und Offenheit und gegen starre Denk- und Stilmuster.
Na ja, die beiden waren ja schon Ende der 60er Jahre die Triebfeder der Outlaw-Country-Bewegung; für bornierte Spießigkeit hatten die beiden schon immer den erigierten Mittelfinger übrig. Auf diese Art darf man wohl auch das von Buddy Cannon, Jamey Johnson und Larry Shell geschriebene "It’s All Going to Pot" interpretieren. Ein prächtiger, gut gelaunter, flotter Song mit köstlichem Text und hitverdächtiger Ohrwurm-Melodie. Americana-Liebling Jamey Johnson gibt hier als Gaststar eine gelungene Einlage; für die instrumentalen Glanzlichter sorgen Willie mit seiner geliebten Trigger und, gleich im Intro schmetternd, rattenscharfe Mariachi-Bläser. Der Titel erschien als Singleauskopplung am 20.4. - ein Datum mit Hintergedanken: Denn 4/20 (four-twenty) gilt unter Kennern als Code fürs gepflegte Kiffen. Der eigentliche Skandal aber ist, dass es dieser wunderbare Country-Song lediglich bis auf Platz 48 der Country-Charts schaffte.
Willie und Merle wird das nicht weiter interessieren. Sie - so die Booklet-Fotos - sitzen und quatschen miteinander (über die alten Zeiten?), sie paffen, trinken Kaffee und spielen Poker oder, ihre Domäne, sie machen in einem Club oder in einem Studio gemeinsam Musik. Dann kommen Perlen wie "Missing Ol' Johnny Cash" heraus. Bei der Merle Haggard-Komposition luden sich die beiden Oldies einen weiteren, genauso alten Weggefährten ins Studio: den einst höchst angesagten, heute weitgehend in der Versenkung verschwundenen Bobby Bare. Gemeinsam erinnert sich das Trio an den "Man in Black" - selten klang Nostalgie schöner und ehrlicher als hier.
Auch die weiteren Tracks versprühen eine gefühlvolle, auf ihre Art absolut zeitlose Country-Aura. Egal, ob es sich dabei um neues Material - wie die Nelson/Cannon-Kompositionen "It's Only Money", "Where Dreams Come to Die" oder die Haggard-Tracks wie "Somewhere Between" und "The Only Man Wilder Than Me" - handelt, oder um gut abgehangene Cover-Versionen. Neben "Family Bible" aus dem Jahre 1960 nehmen sich die beiden Schelme auch Bob Dylans Meilenstein "Don't Think Twice, It's All Right" zur Brust. Meister Bob dürfte mit dieser unschlagbar lässigen Version vollauf zufrieden sein.
Fazit: Zwei Oldtimer auf großer Fahrt durch den klassischen Country. Nie waren die zwei so wertvoll wie heute.
Label: Legacy (Sony) | VÖ: 29. Mai 2015 |
Titelliste
01 | Django and Jimmie | 08 | Family Bible |
02 | It's All Going to Pot (mit Jamey Johnson) | 09 | It's Only Money |
03 | Unfair Weather Friend | 10 | Swinging Doors |
04 | Missing Ol' Johnny Cash (mit Bobby Bare) | 11 | Where Dreams Come to Die |
05 | Live This Long | 12 | Somewhere Between |
06 | Alice In Hulaland | 13 | Driving The Herd |
07 | Don't Think Twice, It's Alright | 14 | The Only Man Wilder Than Me |