Dass dies schon mal passieren kann, bewiesen ja einst die Eagles mit ihrem "Hell Freezes Over"-Album. Doch Brantley Gilbert ist aus einem anderen Holz geschnitzt als Don, Glenn & Co. Der 1985 in Jefferson, Georgia, geborene Country-Sänger und Songschreiber ist im Herzen eher Rocker und Redneck, als ein Country-Superstar. Zahllose Tattoos, Lederjacken, Piercings, Rauschebart, Harley-Fan und Waffennarr. So einer lässt sich nicht so leicht umpolen. Andererseits: Als er als 19-Jähriger sturzbetrunken mit seinem Pickup vom - vielleicht nicht nur asphaltierten - Weg abkam, war er für eine Zäsur bereit. Und willensstark genug, sie umzusetzen. Seitdem ist er, so heißt es, "trocken". Seine Droge seitdem: die Musik.
Brantley Gilbert ist bereit für das Country-Establishment
Spätestens seit seinem zweiten Album, das 2010 erschienene "Halfway to Heaven" ist Brantley Gilbert ein Konsens-Star: mit seinem wuchtigen Country-Rock begeistert er gleichermaßen Country- und Pop-Hörer. So gelang ihm bereits zwei Mal hintereinander das Kunststück, Platz zwei in den amerikanischen Pop- und Platz eins in den Country-Charts zu ergattern ("Just As I Am", "The Devil Don't Sleep"). Die Chancen, dass er mit "Fire & Brimstone" diesen sehr speziellen Hit-Hatrick perfekt macht, stehen gut. Sehr gut sogar. Denn mit den 15 Titeln seines neuen Albums bleibt er sich einerseits wünschenswert treu, andererseits lässt er mit einigen ungewohnt sanften Tönen aufhorchen. Eine illustre Gästeschar sorgt nicht nur für weitere Kaufanreize - Gäste wie Jamey Johnson, Willie und Luke Nelson sowie Bluegrass-Queen Alison Krauss verleihen Brantley Gilbert überdies eine weitere Reputation. Keine Frage, der Mann ist bereit für das Country-Star-Establishment.
"Fire & Brimstone" - Brantley Gilberts vielleicht beste CD
Das alles mag jetzt doch sehr nach "geläutertem Flegel" klingeln. Nach Saulus, der zum Paulus wurde. Doch keine Angst, es steckt noch genügend Saulus in diesem Country-Sänger, was er schon beim Opener von "Fire & Brimstone", "Fire't Up", unter Beweis stellt. In dem, nach gängigem Blues-Schema komponierten Country-Rocker gibt Brantley Gilbert gleich einmal, wie im Titel versprochen, so richtig Zunder: harter, kompromissloser Beat, schneidende Gitarrenriffs und dazu die ziemlich düstere, so ganz und gar nicht nach softem Papi klingende Stimme des Georgia-Boys. Überhaupt ist es Brantley Gilberts Gesang. So wie er phrasiert, wie er die Texte mal lässig-lakonisch, mal nach latenter Gewaltbereitschaft singt oder auch mal wütend ausspuckt, erinnert er weit mehr an Metallica-Sänger James Hetfield, als an irgendeinen Country-Kollegen.
Wie weit er beispielsweise von Willie und seinem Sohn Lukas Nelson entfernt ist, zeigt sich in dem gemäßigten, fast schon harmonischen "Welcome to Hazeville". Bei dem Track ist übrigens auch noch sein einstiger Förderer und Country-Rapper Colt Ford mit von der Partie, was für einen ziemlich spannenden Mix sorgt. Keine Frage, der Titel setzt ein echtes Highlight der CD und dürfte als Single-Auskopplung seinen Weg bis ganz nach oben in den Charts finden. Der Track steht gleichzeitig auch für das neue, stilistisch offene Country-Bewusstsein: Drum-Computer, Rap-Einlagen und Metal-Gitarren stehen gleichberechtigt neben Banjos, Folk-Harmonien und typischen Country-Lyrics.
Noch ruhiger, noch traditioneller fällt das nachfolgende "What Happens in a Small Town" aus, bei dem sich Gilbert das Mikro, wieder einmal, mit Lindsay Ell teilt. Wie der Titel schon vermuten lässt, bedient er mit diesem Track den Country-Mainstream. Ein solider, aber auch reichlich braver und, muss man leider sagen, eher langweiliger Titel in diesem Songreigen. Das gilt freilich nicht für "Lost Soul's Prayer", bei dem Brantley Gilbert - zu ruhigen, fast schon traditionellen Tönen - erstaunliche Einblicke in sein Seelenleben gibt. Keine Frage, so nachdenklich und introvertiert hat man den Sänger bislang noch nicht erlebt.
Vielleicht ist es doch sein verändertes Leben, das den wilden Kerl zu mehr Nachdenklichkeit bewegt. Denn auch weitere Titel, wie "Laid Back Ride" und das sehr zurückgenommene, garantiert autobiografisch gefärbte "Bad Boy" zeugen von einem neuen Blickwinkel Gilberts: auf sich und auf die Welt. Eine Welt, die sich ständig verändert, die hart und schonungslos ist, die Menschen zu Gewinnern und zu Verlierern macht. Darüber steuert er so manchen schlauen Gedanken in Titeln wie "New Money", "Tough Town" und "Breaks Down" bei - verpackt im prototypischen Country-Sound des Jahres 2019.
Fazit: Brantley Gilbert gelingt auf "Fire & Brimstone" das Kunststück, sich neu zu erfinden und sich dabei gleichzeitig treu zu bleiben. Ein starkes Album. Und in mancher Hinsicht wohl sein bislang bestes.
Label: The Valory Music Co. (Universal) | VÖ: 4. Oktober 2019 |
01 | Fire't Up |
02 | Not Like Us |
03 | Welcome to Hazeville (mit Colt Ford & Lukas Nelson & Willie Nelson) |
04 | What Happens in a Small Town (Mit Lindsay Ell) |
05 | She Ain't Home |
06 | Lost Soul's Prayer |
07 | Tough Town |
08 | Fire & Brimstone (mit Jamey Johnson & Alison Krauss) |
09 | Laid Back Ride |
10 | Bad Boy |
11 | New Money |
12 | Breaks Down |
13 | Man of Steel |
14 | Never Gonna Be Alone |
15 | Man That Hung The Moon |