Dolly Parton veröffentlicht mit "Run Rose Run" ein neues Album – Mit dabei: Ben Haggard und Joe Nichols
Dolly Parton. Diese Frau ist unberechenbar. Man weiß nie, was bei ihr als nächstes kommt. Daran hat auch nichts ihr 76. Geburtstag geändert, den sie im Januar 2022 feierte. Auf eines aber ist bei der Country-Queen Verlass: Egal was sie macht, egal was sie anfasst - immer ist höchste Qualität zu erwarten. Das gilt natürlich auch für ihr mittlerweile 48. (!) Studio-Album "Run Rose Run".
Ein Buchprojekt brachte "Run Rose Run" ins Rollen
Womit wir aber auch schon zu ihrer Unberechenbarkeit kommen. Denn das Album ist mehr oder weniger ein Spin-Off des Buches "Run, Rose, Run", das sie gemeinsam mit dem amerikanischen Bestseller-Autor James Patterson geschrieben hat. Der Plot: ganz auf Dolly Parton gemünzt. Ein Mädchen vom Lande will in der großen Stadt - Nashville natürlich - ihren Traum von der Musik-Karriere verwirklichen. Die Arbeit an der Lektüre habe Dolly Parton zu den zwölf Songs von "Run Rose Run" inspiriert - und zu einer weiteren Top-Leistung der Veteranin motiviert.
Jedenfalls hat man Dolly Parton schon eine ganze Weile nicht mehr so aufgekratzt und temperamentvoll erlebt, wie im Opener "Run". Der mit Bluegrass-Besteck intonierte Song macht mit seiner sehr flotten Gangart dem Titel alle Ehre: ja, es geht die Post ab. Als besonders markant erweist sich das in einer eingängigen Melodie verpackte Song-Signet "Run, Run, Run ...", das sich schon nach dem akustischen Erstkontakt in den Gehörgängen einnistet. Klarer Fall von: Ohrwurm. Irgendwie kommt einem die Melodie aber bekannt vor. Nach längerem Überlegen fällt dem Autor dieser Zeilen die Ähnlichkeit mit dem Fleetwood-Mac-Klassiker "Yesterday's News" vom "Rumors"-Album ein. Lindsay Buckingham singt hier immer wieder ein gut gelauntes "Bow-Bow-Bow..." und könnte - wer will es wissen? - als Inspirationsquelle für diesen Song gedient haben.
Doch wir wollen nicht kleinlich sein. Vor allem bei einer Frau, die in ihrer gefühlt mehrere Hundert Jahre langen Musikkarriere gut und gerne 6.000 Songs verfasst hat. Abkupfern hat sie nicht nötig, soviel steht fest. Als zweiten Track des auf ihrem eigenen Label "Butterfly Records" erschienenen Album schickt sie den Track "Big Dreams and Faded Jeans" ins Song-Rennen. Die Vorab-Singleauskopplung hält strammen Country-Blues-Rock, hübsche Melodiebögen sowie so manchen virtuosen Lichtblick an der Slide-Gitarre und Mundharmonika parat. "Es kommen so viele Leute mit einem Sack voller Songs nach Nashville", sagt Dolly Parton über den Track, "ob sie nun vor etwas weglaufen oder nicht: sie steuern in Richtung Zukunft. Genau darum geht es in diesem Song."
Dolly Parton ist immer für eine Überraschung gut
Für eine nette Überraschung sorgt das anschließende "Demons". Nicht nur, weil der Track zeitlosen Root-Country bietet, sondern weil sie in dem sehr ruhigen, sehr entspannten Titel mit Ben Haggard ihren ersten Duett-Partner aufbietet. Überraschung, weil: der Waylon-Haggard-Spross über eine hervorragende, außergewöhnlich warme Country-Stimme verfügt, die sofort an Urgesteine wie Randy Travis denken lässt. Keine Frage, von ihm möchte und wird man in Zukunft noch mehr hören. Im gesanglichen Paarlauf verdienen sich Dolly Parton und Ben Haggard überdies ausgezeichnete Stil-Noten: sie harmonieren, sie ergänzen sich. Die Chemie stimmt. Mit dem vierten Track "Driven" schlägt Dolly Bluegrass-Töne an. In dem superschnellen Song zünden ihre Begleiter ein Feuerwerk an Fiddle und Banjo und treiben damit die Sängerin zu einer großartigen Performance an.
War's das? Haben wir damit die stilistische Bandbreite ausgereizt? Keineswegs! Schon im nächsten Track "Snakes in the Grass" überrascht sie zunächst mit astreinen Americana-Klängen, um im Refrain erstaunlich rabiate Country-Rock-Klänge anzustimmen. 76 Jahre alt soll die Sängerin und Songschreiberin sein. Davon ist nicht die Spur zu hören.
Im weiteren Verlauf des von Dolly Parton, Richard Dennison und Tom Rutlege produzierten Albums beschreibt sie weitere Stationen dieser jungen, singenden Glücksritterin: im ausgelassenen Bluegrass "Firecracker", in dem Honky-Tonk-Track "Lost and Found", im zuversichtlichen, von Optimismus strotzendem Bluegrass "Dark Night, Bright Future" oder in dem getragenen und reflektierenden "Secrets", bei dem sich Dolly das Mikro mit Joe Nichols teilt. Für den Ausklang des vertonten Buches sorgt die Gretchenfrage "Love or Lust", die sie gemeinsam mit ihrem Produzenten Richard Dennison zu klären versucht. Den etwas frivolen Inhalt verpacken sie in eine schon fast an ein Musical erinnernde Revue-Nummer. Tja, sie ist einfach immer für eine Überraschung gut.
Fazit: Auch auf ihrem 48. Studio-Album beweist die 76-jährige Dolly Parton, dass sie im Country immer noch das Maß der Dinge ist. "Run Rose Run" basiert auf einem Buchprojekt und zeigt die Sängerin und Songschreiberin in Top-Form.
Label: Butterfly (roughTrade) | VÖ: 4. März 2022 |
01 | Run |
02 | Big Dreams and Faded Jeans |
03 | Demons (mit Ben Haggard) |
04 | Driven |
05 | Snakes in the Grass |
06 | Blue Bonnet Breeze |
07 | Woman Up (And Take It Like A Man) |
08 | Firecracker |
09 | Secrets |
10 | Lost and Found |
11 | Dark Night, Bright Future (mit Joe Nichols) |
12 | Love or Lust (mit Richard Dennison) |