Dolly Parton - Dolly [Box-Set]

Beim Durchhören der vier, jeweils mit zwischen 22 und 26 Songs bestückten CDs wird dem Hörer einiges bewusst. Zum Beispiel, wie lange die Blondine mit der unverkennbaren Bruststimme schon zum Country gehört, wie das Lasso zum Cowboy. Seit, man will’s kaum glauben, satten 50 Jahren. CD Nummer eins beweist dies mit Tracks aus ihren Anfangstagen: "Puppy Love", bereits eine Eigenkomposition mit Co-Autor Bill Owens, aufgenommen Anno 1959. Genau vor einem halben Jahrhundert. Gleiches gilt für das nachfolgende "Girl Left Alone". Schon diese Frühwerke deuten das knisternde Timbre und das enorme Phrasierungstalent der blondesten Country-Sängerin aller Zeiten an.

Dass Dolly 1959, also mit 13 Jahren, schon zu so einer eindrucksvollen Performance fähig war, muss einen aber kaum wundern. Immerhin lernte sie bereits mit sieben Jahre Gitarre, mit zehn trat sie zum ersten Mal öffentlich auf, als 13-Jährige debütierte sie schon in der Grand Ole Opry – und seitdem zählt sie zum singenden Inventar eines ganzen Genres.

Sinnvollerweise verteilten die Macher der Box die Songs chronologisch – von ihren frühen Tagen Ende der 50er Jahre bis zu den Titeln Anfang der 1990er Jahre. Dann wird ein Schluss-Strich gezogen. Vermutlich, um auch für eine weitere Box noch genügend Material zu haben. Wobei: An Material sollte es bei einer Künstlerin wie Dolly Parton nicht mangeln. Immerhin hat das aus den Smokey Mountains stammende Naturkind annähernd 100 Alben in ihrer unvergleichlichen Laufbahn veröffentlicht. Wer bietet mehr?

Doch für Dolly gilt seit jeher: nicht nur Masse, sondern (fast immer) auch Klasse. Das gilt für frühe Songs wie das selbstironische "Dumb Blonde" (geschrieben von Curly Putman) oder die Eigenkomposition "Something Fishy" genauso wie für ihre Phase mit dem kantigen Porter Wagoner (u.a. "Jeannie’s Afraid of the Dark" und "Please Don’t Stop Loving Me") oder später, Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre, als sie mit "Yellow Roses" oder dem herrlichen "Eagle When She Flies" zum wiederholten Male einen Maßstab im Countrysound setzen konnte.

Immer gelang ihr das freilich nicht. Und sie wollte dies auch nicht zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere. In den späten 70er Jahren flirtete sie beispielsweise heftig aber nicht unbedingt immer überzeugend mit Pop und Disco. Vielleicht war sie nach bereits mehreren hunderten geschriebenen Songs kreativ ausgelaugt. Vielleicht fehlte ihr in dieser Phase auch das nötige Selbstbewusstsein für den großen Song-Wurf. Vielleicht aber wollte sie nur auf einen Modezug mit aufspringen und schnelles Geld mit schnellen Hits machen. Fest steht: Zu dieser Zeit war sie eine Suchende. Sie versuchte es mit renommierten Songschreibern wie Carole Bayer Sager, Billy Vera, Steve Kipner und sogar Disco-Mieze Donna Summer durfte der Countrykönigin einen Song reichen ("Starting Over Again"). Doch mit Moden ist es wie mit den Jahreszeiten. Sie kommen und sie gehen.

Das hat wohl auch Dolly Parton irgendwann eingesehen und sich wieder auf ihre, wie Marketingexperten immer so schön blöd sagen, "Kernkompetenz" verlegt. Und die liegt im Country. Genau genommen: im Herz, in der Seele dieser Stilrichtung. Diese vier CDs geben mit knapp 100 Titeln darüber Auskunft.

Fazit: Dolly von 1959 bis 1992: 100, größtenteils selbst geschriebene Songs, zeichnen einen großen Teil ihrer sagenhaften Karriere nach. Für Dolly Parton-Fans ein Muss – alleine schon wegen Aufmachung und Begleitheft. Wer auf der Suche nach einem schönen Weihnachtsgeschenk ist ...