Natürlich spielt Barry Gibb, mit 74 Jahren der letzte Überlebende der Bee Gees, laut Guinness-Buch-der-Rekorde, "erfolgreichsten Familienband aller Zeiten", den Ball artig zurück: "Ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich mit Dave an dem Album arbeiten durfte", sagt Sir Barry. Der Ort, das legendäre RCA Studio B in Nashvilles Music Row, habe ihn auf geradezu magische Weise inspiriert: "Greenfields - The Gibb Brothers' Songbook" habe bei der Entstehung ein Eigenleben entwickelt. Am liebsten hätte er das Album natürlich gemeinsam mit seinen verstorbenen Brüdern Maurice und Robin eingespielt, doch: "In gewisser Weise haben wir das", meint er.
Magische Sessions: "Greenfields - The Gibb Brothers' Songbook"
So viel steht fest: Bei dieser neuen Auftragsarbeit von Kult- und Hit-Produzent Dave Cobb (Chris Stapleton, Sturgill Simpson) schwingen reichlich Emotionen mit, was für ein gefühlvolles Country-Album natürlich alles andere als eine schlechte Voraussetzung ist. Doch: Passen denn die frühen Beat- und späteren Disco- und Pop-Songs überhaupt in ein Country-Outfit? Zwicken hier Form und Inhalt nicht bedenklich? Und: Wie macht sich das legendäre Falsett des gebürtigen Australiers zu Pedal-Steel-Guitar und robusten Bluegrass- und Country-Rhythmen? So viel vorab: erstaunlich gut!
Doch das dürfte zu einem guten Teil an der Riege der geladenen Duett-Partner liegen. Eine Gäste-Liste, die sich wie das Who-is-Who der Country Music, Bluegrass Music und Americana liest. Mit dabei: Keith Urban, Jason Isbell, Alison Krauss, Little Big Town, Miranda Lambert, Shery Crow und - Legende trifft auf Legende - Dolly Parton. Für das Duett mit der Queen of Country hat Gibb den ersten großen Bee Gees-Wurf herausgekramt, das bis heute unwiderstehlich romantische "Words". Als galanter Gastgeber überlässt Barry Gibb der Country-Ikone den Auftakt des Songs - und Dolly Parton zeigt in den ersten Strophen eine derartig gefühlvolle und hingebungsvolle Vocal-Performance, dass sich alle vorher gemutmaßte Skepsis sofort in Luft auflöst. "Words" wird mit Dolly Parton zum Country-Track. Das bleibt auch so, als Barry Gibb beim Refrain dazustößt um - garniert von fein arrangierten Geigen und souligen Gitarren - mit Dolly Parton großartig zu harmonieren. Gewagte These: Seit ihrem Paarlauf mit Kenny Rogers hat Dolly Parton kein überzeugenderes Duett mehr eingesungen.
Vermutlich kam auch dazu, dass die Aufnahmen im RCA Studio B für Dolly Parton etwas ganz Besonderes waren. Eine Art Déjà Vu. Schließlich hat sie hier in den frühen 70er Jahren an einem einzigen Nachmittag "I Will Always Love You" und "Jolene" aufgenommen - und damit Musikgeschichte geschrieben.
Für "Greenfields - The Gibb Brothers' Songbook" lud sich der hellstimmige Musik-Pionier aber nicht nur die Legenden der Stadt. Er teilte sich das Mikrofon auch mit der Crème de la Crème der jungen Garde: Gemeinsam mit Americana-Star Jason Isbell gelang ihm beispielsweise eine etwas rauere Version von "Words of a Fool", mit Brandi Carlile ein mehr im Folk verankertes "Run to Me" und mit Miranda Lambert und Jay Buchanan eine höchst originelle, schon fast bodenständige Version des Disco-Fegers "Jive Takin'". So weit so gut.
Barry Gibb & Friends - ein Star und seine vielen Stargäste
Dass der 2018 zum Sir geadelte Sänger und Songschreiber schon immer ein Faible für Country-Klänge hat, sagte er in einem Interview mit der BBC. Bewiesen hatte er das schon mal vor vier Jahren, als er gemeinsam mit Ricky Scaggs in der Grand Ole Opry auftrat, um, ohne Pop-Klimbim, die Bee Gees-Ballade "How Can You Mend A Broken Heart" zum Besten gab. Natürlich darf dieses Muster an Rührstück auch auf "Greenfields - The Gibb Brothers' Songbook" nicht fehlen. Mit Sheryl Crow fand er die ideale Partnerin für die gelungene Neuauflage.
Zu den weiteren Paradenummern der CD gehören "Too Much Heaven" mit der, wie immer, göttlich singenden Alison Krauss, "How Deep Is Your Love" mit Akustik-Gitarren-Star Tommy Emanuel und den vier von Little Big Town, sowie, als letzter Track, "Butterfly". Gibb, Gillian Welch und David Rawlings warten bei der Bluegrassifizierung des Hits mit betörenden Harmony-Vocals auf. Prädikat: großartig!
Fazit: Die Umformatierung der Bee Gees-Hits ist unter der Regie von Produzent Dave Cobb vollauf gelungen. "Greenfields - The Gibb Brothers' Songbook" von Barry Gibb & Friends sorgt für einen tollen Einstand in das Musikjahr 2021.
Label: Capitol (Universal) | VÖ: 8. Januar 2021 |
01 | I've Gotta Get a Message to You (mit Keith Urban) |
02 | Words of a Fool (mit Jason Isbell) |
03 | Run to Me (mit Brandi Carlile) |
04 | Too Much Heaven (mit Alison Krauss) |
05 | Lonely Days (mit Little Big Town) |
06 | Words (mit Dolly Parton) |
07 | Jive Talkin' (mit Jay Buchanan & Miranda Lambert) |
08 | How Deep Is Your Love (mit Little Big Town & Tommy Emmanuel) |
09 | How Can You Mend a Broken Heart (mit Sheryl Crow) |
10 | To Love Somebody (mit Jay Buchanan) |
11 | Rest Your Love On Me (mit Olivia Newton-John) |
12 | Butterfly (mit Gillian Welch & David Rawlings) |