Wer so an die Musik-Sache herangeht, findet immer wieder Lücken und Nischen, die noch nicht künstlerisch besetzt oder kommerziell ausgeschlachtet sind. Muss verlockend sein. Doch es gehört auch eine gehörige Portion Mut dazu, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen, um den Mainstream konsequent zu ignorieren.
The Dead South finden ihre musikalische Nische
Andererseits: Mittlerweile ist Roots-Musik mit Pep im Country, Bluegrass und Americana längst en vogue. Wird es da nicht langsam für The Dead South Zeit, völlig neue Eisen anzupacken? "Darüber denken wir gar nicht nach", versichert uns im Interview Nate Hilts, Sänger und Gitarrist der Band, "wir machen einfach die Musik, die wir gerne hören - und die wir auch können." Wenn sich also im Klangbild der Kanadier mal etwas Gravierendes verändern sollte, dann: "Weil wir uns in dem Moment der Aufnahmen gerade danach fühlen. Sicher aber nicht deshalb, weil wir irgendwo reinpassen wollen."
Glauben wir ihm. Gerne sogar. Und auch, wenn er sagt, dass es ihnen Spaß gemacht hat, diese beiden EPs "Easy Listening for Jerks, Part 1 & 2" aufzunehmen. Man habe sich mit beiden Händen im großen Songkatalog bedienen können, um Song-Lieblinge der Bandmusiker in ein neues Klangkleid zu verpacken. Da man zuletzt in vernünftiges Recording-Equipment investiert habe, konnten sie die sechs Songs von "Easy Listening for Jerks, Part 1" und die sieben Tracks des zweiten Teils ohne jeden Stress aufnehmen. Wie es heißt, durfte sogar jeder der vier Bandmitglieder vor das Mikro, um die Lead-Vocals zu übernehmen. "Das heißt aber nicht, dass wir die Sache nicht mit dem entsprechenden Ernst angepackt hätten", macht Nate sofort deutlich, "schließlich hat jeder einen super Job gemacht."
"Easy Listening for Jerks, Part 1 & Pt. 2" - mal Roots, mal Rock
Auf "Easy Listening for Jerks, Part 1" huldigen sie den Roots: Sie ziehen den Hut vor der Carter Familie (im Opener "Keep On the Sunny Side"), vor Johnny Cash ("You Are My Sunshine") und - diese Ehrerweisung muss sein - vor Hank Williams (mit dem nicht sehr originellen Klassiker-Cover "Will The Circle Be Unbroken"). Den bekannten Titeln stellen sie weniger populäre Tracks zur Seite: etwa "Pallet on the Floor", das von Dan Daniell geschriebene Liebeslied an den ikonischen Schweizer Berg "Matterhorn" und "Flint Hill Special", das Bluegrass-Kenner freilich als ein Lester Flatt & Earl Scruggs-Original ausmachen. Tenor: im ersten Teil fischt die Band noch im Bluegrass-Teich nach Songs.
Anders, ganz anders verhält sich die Sache in "Easy Listening for Jerks, Part 2". Hier serviert das Quartett sieben Tracks, die man auf Anhieb so gar nicht mit The Dead South in Verbindung bringen würde. Aber das ist auch das Reizvolle an der Sache: Wenn sie sich den leider wahrhaftigen Doors-Klassiker "People Are Strange", "Chop Suey" von System Of A Down, "We Used to Vacation" von den Indie Rockern Cold War Kids vornehmen - oder mit "96 Quite Bitter Beings" einen Song der Alternative Metal-Band CKY auf ihren Sound trimmen. Mit ihren Akustik-Versionen beweisen sie, dass es weder E-Gitarren noch Drums braucht, um die Stimmung eines Rock- oder gar Metal-Songs aufzugreifen. Andererseits bleibt trotz der rabiater Song-Vorlagen die Grundstimmung im Bluegrass und im Roots-Sound verankert. Aufrechte Traditionalisten dürften mit manchem Track dennoch ihre Probleme haben.
Fazit: Die Sache des Covern, das Ding, Songs aus anderen Genres in die bandtypische Stilistik überzuführen ist nicht gerade neu. Für gute Unterhaltung sorgen The Dead South mit ihren zwei EPs "Easy Listening for Jerks, Part 1 & Part 2" aber dennoch: mit Bluegrass der etwas anderen Art.
Label: DevilDuck (Indigo) | VÖ: 4. März 2022 |
Part 1 | |
01 | Keep On The Sunny Side |
02 | Pallet On The Floor |
03 | Will The Circle Be Unbroken |
04 | Flint Hill Special |
05 | You Are My Sunshine |
06 | Matterhorn |
Part 2 | |
01 | Yahoos and Triangles (Intro) |
02 | People Are Strange |
03 | Chop Suey |
04 | We Used To Vacation |
05 | Help Me Scrape The Mucus Off My Brain |
06 | Saturday Night |
07 | 96 Quite Bitter Beings |