Kenny Rogers - Life is Like a Song

Er sang ihn gerade so, als ob er ausschließlich für ihn geschrieben worden sei. Egal ob Pop-Ballade wie "Lady" (von Lionel Richie), die Roger Bowling-Nummer "Lucille" oder die John Michael Montgomery-Komposition "I Swear". Wie elastisch die Stimme des 2020 Verstorbenen war, zeigte sich auch gegen Ende seiner Karriere, als er sich Jazz-Standards und Klassiker aus dem Great American Songbook vornahm, um ihnen die typische Kenny-Rogers-Note zu verpassen.

Kenny Rogers muss es wissen: "Life is Like a Song"

In seinen letzten Jahren aber fehlte dieser großartigen Stimme die Energie. Der Autor dieser Zeilen musste das 2017 in Nashville erleben, als man ihn, den damals schon sehr schwächlichen Mann, auf die Bühne für eine Gasteinlage holte. Man hat ihm mit dieser gut gemeinten Ehrung keinen Gefallen getan. Schließlich möchte man diesen Country-Giganten so maskulin-kräftig in Erinnerung behalten, wie er sich mit Evergreens wie "Ruby (Don't Take Your Love to Town)", "The Gambler" oder eben "Lucille" in unser Gedächtnis gebrannt hat.

Eine gewisse Skepsis ist bei den nun veröffentlichten zehn Tracks (plus zwei Bonustitel) von "Life is Like a Song" also angebracht. Aber: Entwarnung! Das von Wanda Rogers (die Witwe von Kenny), Ken Levitan und Jason Henke produzierte Album präsentiert unseren liebsten Graubart von seiner stimmlichen Schokoladenseite. Wann die Titel entstanden und aufgenommen wurden, ist leider nicht bekannt. Fest aber steht: Kenny Rogers stand bei den Sessions voll im Saft.

Das ja. Auf jeden Fall. Das heißt aber nicht, dass das Songmaterial vorwiegend Temperamentvolles bieten und Frohsinn verbreiten würde. Eher ist das Gegenteil der Fall. So schwingt im Laufe der knapp 40-minütigen Spielzeit einiges an Melancholie und Schwermut mit. Natürlich, das legen schon die Titel nahe, beispielsweise Tracks wie "I Will Wait for You". Ein Song, den unter anderem Soundtrack-Legende Michel Legrand mitkomponiert hat und schon alleine deshalb tiefgehende und durchaus auch dramatische Harmonien und Textzeilen erwarten lässt.

Stimmlich war Kenny Rogers bei "Life is Like a Song" noch voll im Saft

Kenny Rogers interpretiert diese schwere Kost - natürlich - wieder vortrefflich. Nicht so pathetisch aber mindestens so schwermütig fällt der letzte Song der CD aus: "Goodbye" aus der Feder von Soul-Schmusekater Lionel Richie. Man kann den Titel als letzten Gruß des Sängers sehen - und dann muss man schon mal schlucken. Zumal das zurückhaltende Arrangement sehr viel Platz für Rogers Stimme lässt. Er nutzt diesen Raum, füllt ihn aus. Auch mit seinen Emotionen. Nicht viele Sänger würden das nur halb so gut hinbekommen.

Nachdenklich und rührselig geben sich noch etliche weitere Titel. Zum Beispiel die sehr gelungene Country-Pop-Ballade "I Wish It Would Rain", das zuckersüße Duett mit Jamie O'Neal "Straight Into Love" und auch der eher wehmütig angelegte Country-Rocker "Catchin' Grasshoppers". Als Cover-Version hat sich der Texaner den Eric Clapton-Evergreen "Wonderful Tonight" ausgekuckt - für nicht wenige das schönste Liebeslied aller Zeiten. Was andeutet, dass der Mann bis zuletzt ein Romantiker blieb.

Gelegentlich zieht er auf "Life is Like a Song" die Zügel an. Beispielsweis erinnert er im Opener "Love is a Drug" (geschrieben von unter anderem Kim Carnes) daran, dass er vor seiner Country-Karriere ein waschechter Rocker war. Für das Glanzlicht der CD aber sorgt ein Track, der bereits 2009 veröffentlich wurde: "Tell Me That You Love Me", ein herrliches Duett mit Dolly Parton. Beim Hören dieses launigen, unter anderem von Buffy Lawson geschriebenen Songs, wird einem wieder bewusst, wie perfekt diese zwei Stimmen und Persönlichkeiten harmoniert haben. Leider wird es nie wieder zu einer Fortsetzung kommen, und so schwingt selbst bei diesem aufgekratzten Titel etwas Schwermut mit.

Fazit: Außer einem Weihnachtsalbum ist "Life is Like a Song" das erste Studio-Album von Kenny Rogers seit zehn Jahren. Ein gefühlvoller, melancholischer, aber auch würdiger Nachlass der großen Country-Stimme.