Fast scheint es so, als hätten sich Kristofferson und sein "Rick Rubin", Produzent Don Was, mit "This Old Road" nur warmgespielt, um auf "Closer to the Bone" die volle Wirkung des "American Recordings"-Prinzips zu entfalten. Karge Instrumentierung und eine knackige Produktion, die Kris Kristoffersons Stimme bloßlegt, ohne sie bloßzustellen. Dabei ist es schon fast gespenstisch, wie sehr er mittlerweile nach dem späten Johnny Cash klingt.
Das Album umfasst ein Dutzend Songs aus Kristoffersons Feder, bei denen er von Was (Bass), Jim Keltner (Schlagzeug), "Wallflower" Rami Jaffee (alle Tasteninstrumente), und seinem "Soul-Brother" und Weggefährten der ersten Stunde Stephen Bruton (Gitarre, Mandoline, Backing Vocals) begleitet wird, der 2009 – kurz nach den Aufnahmen – an Krebs starb. Ihm ist das Album gewidmet.
Gleich im Opener, dem Titeltrack "Closer to the Bone" versammelt Kristofferson die gesamte Band, um klug und mitreißend über sein Leben zu reflektieren, ohne wehmütig zu werden. (Eine Demoversion des Stücks war übrigens als Bonustrack auf der Wiederveröffentlichung des "Highwaymen"-Albums "The Road Goes on Forever" enthalten.) Danach wird es ruhiger. Meist verlässt sich Kris Kristofferson auf seinen rauhen Gesang, seine Gitarre und seine Mundharmonika, Dylan-Style.
Mehr braucht es auch nicht, denn Kristoffersons verblüffend einfachen, eingängigen Melodien und vor allem die Texte sprechen für sich. Hier zeigt der mittlerweile 73-Jährige noch einmal eindrucksvoll, dass er noch längst nicht zum alten Eisen gehört, auch wenn seine Stimme schon ein bisschen angerostet klingt. "From Here to Forever" ist eine rührende Liebeshymne, die Kristofferson seinen Kinder gewidmet hat. In "Love Don’t Live Here Anymore" geht’s in die andere Richtung: Da braucht er nur wenige, bittere Zeilen, um das Ende einer Beziehung zu beschreiben.
Einige Songs widmen sich alten Weggefährten, der Witzigste: die ironische Cash-Würdigung "Good Morning, John"; der Bewegendste: das Begräbnislied "Hall of Angels". Wer da nicht in sein Bier weint, dem ist nicht zu helfen. Mit ihm wollte Kristofferson vor über zehn Jahren seinen Freund, Country-Star Eddie Rabbitt, über den Tod seines Sohnes hinwegtrösten, nur dass dieser selbst kurze Zeit später starb. "Sister Sinead" bricht eine Lanze für Sinead O’Connor und erinnert noch einmal an den Skandal, als sie Anfang der 90er Jahre aus Protest ein Foto von Papst Johannes Paul II. im Fernsehen zerriss und dafür in den USA beleidigt und beschimpft wurde. Es war Kristofferson, der sie auf Bob Dylans 30-jährigem Bühnenjubiläum im Madison Square Garden in Schutz nahm. Auch dieser Song ist zwar ganz wunderbar, kommt irgendwie dann doch fünfzehn Jahre zu spät.
Als Zugabe gibt es noch den Hidden Track "I Hate Your Ugly Face", den Kristofferson als Elfjähriger geschrieben hat. Ein altkluges Protestlied und ein verschmitzter Ausklang für ein introspektives Meisterwerk, das mit 33 Minuten allerdings recht kurz ausgefallen ist. Wohl auch deshalb gibt es eine Limited Edition mit Kristofferson-Poster und einer Bonus-CD, auf der acht Live-Songs (u.a. "For the Good Times" und "Why Me?") von 2008 aus dem Olympia Theater, Dublin enthalten sind.
Fazit: "Closer to the Bone" darf man getrost zu Kris Kristoffersons besten Alben zählen. Man kann nur hoffen, dass es noch lange so weitergeht. Doch sollte dies seine letzte CD sein, wäre es ein Abschluss auf höchstem Niveau.
Label: Blue Rose (Soulfood Music) | VÖ: 02. Oktober 2009 |
Titelliste
Links
01 | Closer to the Bone | 07 | Love Don't Live Here Anymore |
02 | From Here to Forever | 08 | Good Morning John |
03 | Holy Woman | 09 | Tell Me One More Time |
04 | Starlight and Stone | 10 | Let the Walls Come Down |
05 | Sister Sinead | 11 | Wonder |
06 | Hall of Angels |
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