Josh Turner, Jahrgang 1977, hat in seinen sieben vorausgegangenen Alben nie seine musikalische Herkunft verleugnet. Schon bei seinem Platin-dekorierten Debüt-Album "Long Black Train" aus dem Jahr 2003 blieb er mit seinen Songs und seiner tiefen Stimme näher an den Roots des Country-Sounds, als die meisten seiner jungen Kollegen und Kolleginnen. Das sollte auch in den nachfolgenden Karrierejahren so bleiben. Egal wie Rock- und Pop-orientiert Nashville gerade tickte - Josh Turner blieb auf Spur. Auf seiner Spur, dem modernen, aber mit jeder Strophe traditionsbewussten Country-Sound.
Josh Turner hält die Traditionen am Leben
Da ist es kein Wunder, dass der wuchtige Kerl mit dem Zahnpastawerbung-Lächeln mit seinem neuen Album "Country State of Mind" seine persönlichen Helden würdigt. Wie sehr er seine Vorbilder verehrt, wir übrigens auch in einer seiner Ideen deutlich: Ihm schwebt ein Country-Mount-Rushmore vor - bei dem anstelle von Lincoln & Co. seine Musik-Idole in Stein gehauen werden – namentlich die Herren: Randy Travis, John Anderson, Johnny Cash, Vern Gosdin und Hank Williams. "Bei jedem meiner Songs hört man auch einen Teil von ihnen", bekennt der 42-Jährige. Natürlich kommt diesem Fünfer im Laufe der CD eine Sonderrolle zu.
Den Auftakt des zwölf Song-Stationen umfassenden Trips in die Country-Geschichte übernimmt allerdings ein Track, den man mit einer anderen Größe des "New Country" in Verbindung bringt: "I'm No Stranger to the Rain", mit dem 1988 der so großartige wie tragische Keith Whitley seinen - zu Lebzeiten - letzten Nummer-eins-Hit landete. Stimmlich erinnert Turner mit seinem kräftigen Bariton an den unvergessenen Star, auch er verleiht dem Song Tiefe und Gefühl. Ein Klassiker, keine Frage.
Doch Turner verlässt sich auf "Country State of Mind" nicht nur auf bewährte Hit-Kost aus der Vergangenheit. Er hält auch weniger bekannte Songs und eher verschollene Album-Tracks parat. Beispielsweise das flotte, dennoch aber eher unspektakuläre "I've Got It Made". John Anderson - einer seiner Rushmore-Helden - hatte vor knapp 30 Jahren damit einen mittelprächtigen Hit. Trotzdem steht der Song stellvertretend für Nashville der frühen 90er Jahre - und das Wiederhören von John Anderson als Duett-Partner macht obendrein Freude.
Das gilt auch für den nachfolgenden Track "Why Me". Kris Kristofferson landete mit dem sehr traditionellen, sehr beschaulichen Gospel-Song 1973 einen Hit, was heute undenkbar erscheint. Nach der zweiten Strophe und einem Pedal-Steel-Solo lässt tatsächlich auch der in die Jahre gekommene Songwriter-Großmeister seine brüchige Stimme erklingen. Keine Frage, ein Duett mit Kris Kristofferson ist für jeden Country-Sänger immer noch ein Ritterschlag. Es soll nicht der letzte im Laufe der CD sein…
"Country State of Mind": Hits, verschollene Tracks und viele Gast-Stars
Beim Titeltrack, einst ein Hit für Hank Williams Jr., ist Chris Janson mit von der Partie, beim dunklen Bluesgrass-Track "Alone and Forsaken" stimmt Allison Moorer mit ein, beim George-Strait-Song "Desperately" mischen Maddie & Tae mit und bei "You Don't Seem to Miss Me", das legendäre Doppel von George Jones und Patty Loveless, sind es die Mitglieder von Runaway June. Für den spektakulärsten Gastauftritt sorgt allerdings - Fanfare, Tusch! - Randy Travis. Okay, eigentlich singt Travis bei der launigen Interpretation seines frühen Klassikers "Forever And Ever, Amen" nur im Fade-Out des Songs ein eher brüchiges "Amen". Dennoch: Es ist seine erste Recordings-Session seit seinem Schlaganfall vor sieben Jahren - und ein Grund zur Hoffnung, dass man vielleicht wieder mehr von ihm zu hören bekommt.
Zu den weiteren Tracks der transparent produzierten CD gehören "I Can Tell by the Way You Dance" (ein Vern Goslin-Hit), "Good Ol' Boys" (Waylon Jennings-Song) und das schaurig-schöne "Midnight in Montgomery" von Alan Jacksons "Don't Rock The Jukebox"-Album aus dem Jahr 1991. Für den Abschluss von Josh Turners Country-Bestandsaufnahme sorgt seine wirklich erstklassige Interpretation des Johnny Cash-Songs "The Caretaker". Wer Turner hier hört, wie er seinen Bariton, nur von einer Akustik-Gitarre begleitet, in tiefste Bass-Regionen gleiten lässt, denkt unvermeidlich an eine Wiedergeburt des Man in Black. Es ist ein würdiger Abschluss eines sehr persönlichen Albums. Und ein Statement dazu.
Fazit: Josh Turner blickt auf "Country State of Mind" zurück - und interpretiert ein Dutzend seiner persönlichen Country-Song-Lieblinge neu. Stilecht, kompetent, mit Herz und mit Stimme.
Label: MCA Nashville (Universal) | VÖ: 21. August 2020 |
01 | I'm No Stranger to the Rain |
02 | I've Got It Made (mit John Anderson) |
03 | Why Me (mit Kris Kristofferson) |
04 | Country State of Mind (mit Chris Janson) |
05 | I Can Tell By The Way You Dance |
06 | Alone and Forsaken (mit Allison Moorer) |
07 | Forever and Ever, Amen (mit Randy Travis) |
08 | Midnight in Montgomery |
09 | Good Ol' Boys (Theme From The Dukes of Hazzard) |
10 | You Don't Seem to Miss Me (mit Runaway June) |
11 | Desperately (mit Maddie & Tae) |
12 | The Caretaker |