"Wildcard" ist Miranda Lamberts siebtes Album
Man werfe nur mal einen Blick auf ihre Diskografie: Außer ihrem erwähnten Debüt (bei einem Mini-Label erschienen) eroberte die grandiose Sängerin mit jeder weiteren Veröffentlichung - und das sind weitere sechs Stück - Platz eins der Country-Charts. Mit dem Grammy-bedachten Album "Platinum" (2014) gelang ihr das Kunststück sogar auch in den US-Pop-Charts.
Natürlich hängt da die Messlatte hoch für ihr neues Album. "Wildcard" betitelt, zeigt es Miranda Lambert auf dem Cover als, tja als was? Vielleicht als sexy Hausfrau, in Netzstrumpfhosen und Negligé beim Kreuzworträtseln. Was solls? Sie ist süß, sie ist sexy, sie hat Humor. Vor allem aber hat die Tochter des Country-Songwriters und Gitarristen Rick Lambert: eine ganze Menge Talent.
Den Lebensmut hat Miranda Lambert auch nicht verloren, als 2015 ihre Ehe mit Kollege Blake Shelton in die Brüche ging. Mittlerweile ist die Sängerin wieder unter der Haube - Anfang des Jahres hat sie einen New Yorker Polizisten geheiratet. Kurzum: alles im Lot für Miss Lambert.
Und das hört man auch. Die 14 neuen Songs, bei denen sie ausnahmslos als Co-Autorin mitschrieb, verströmen jede Menge unbeschwerte Lebensfreude, Spaß und Leichtigkeit. Man nehme nur die von dem Damen-Kränzchen Lambert, Hillary Lindsey, Lori McKenna und Liz Rose komponierte Single-Auskopplung "It All Comes Out in the Wash" - ein augenzwinkernder, lässiger, mit Mitsing-Harmonien ausgestatteter Country-Pop-Track erster Güte. Klarer Fall von Hit. Schon in diesem Track lässt sich die hitbewährte Handschrift von Produzent Jay Joyce ausmachen.
Noch mehr vielleicht sogar bei "Mess With My Head". Selten, vielleicht sogar noch nie hat man die Country-Sängerin so konsequent die Pop-Karte ausspielen sehen/hören, wie bei der Lambert, Luke Dick, Natalie Hamby-Komposition: top moderne Sounds, harte Gitarren-Riffs, wuchtige Drums; alles sehr dicht, sehr komprimiert abgemischt. Kurzum: ein Brett von einem Song. Einen Tick mehr Country besitzt das selbstironische, von Karen Fairchild (Little Big Town) inspirierte Duett mit der nicht minder sexy Kollegin Maren Morris: "Way too Pretty For Prison". Man spürt und hört den Spaß, den die beiden Ladies bei den Aufnahmen hatten. Na klar, das wird dann wohl auch ein Hit...
Vielseitig, experimentierfreudig, unterhaltsam: Miranda Lambert überzeugt erneut
Wer jetzt argwöhnt, dass in "Wildcard" vielleicht um eine Spur zu viel Hit-Kalkül steckt, liegt wohl nicht so ganz falsch. Aber auch nicht ganz richtig. Denn das experimentierfreudige Teilzeit-"Pistol Annies"-Mitglied geht auch auf dieser CD das eine oder andere Song-Risiko ein. Zum Beispiel das von Lambert, Ashley Monroe und K.S. Rhoads komponierte, seinem Titel voll und ganz zur Ehre gereichende "Locomotive". Wobei es sich bei der Lokomotive wohl eher um einen (intakten) ICE handelt - voller Off-Beat-Drive, plus Harp und brillanter Slide-Gitarre. Auf schicke Studio-Kosmetik wird hier - und das tut dem Album sehr gut - komplett verzichtet. Dafür aber trauen sich Lambert und Joyce, den Zug auf den letzten 30 Sekunden auf Half-Time abzubremsen, gerade so, als ob es in den Bahnhof ginge. Allemal ein witziger Effekt.
Aber Miranda Lambert kann auch langsam und nachdenklich. Sehr gut sogar. Deshalb setzt das gefühlvolle, großartig die Balance von Roots und Pop findende "Bluebird" ein absolutes Highlight auf "Wildcard". Ein weiteres setzt ausgerechnet ein Drinkin' Song: "Tequila Does". Bei diesem Track greift sie auf ein eigentlich längst in Vergessenheit geratenes Stilmittel: Sie mixt Tempo und Metrum. Während die Strophen, bei der sie nur eine Akustikgitarre begleitet, im langsamen Drei-Viertel-Takt angelegt sind, überrascht der Refrain mit sattem Band-Outfit flottem Vier-Viertel-Groove. Geht nicht? Von wegen! Auch dafür muss man Miranda Lambert einfach mögen...
Fazit: Witzig, aufgedreht, experimentierfreudig. Selten fanden Pop und Roots schöner einen gemeinsamen Nenner als bei "Wildcard". Miranda Lamberts siebter CD-Streich ist vollauf gelungen.