"Three Chords and The Truth" bietet 14 neue Sir Van Morrison-Originale
Seine neueste, mit 14 Eigenkompositionen ausgestattete CD trägt den Titel "Three Chords and The Truth". Country-Insider werden da die Ohren spitzen: Schließlich stammt dieses legendäre Zitat aus den 1950er Jahren von Country-Songwriter Harlan Howard. Wer jetzt vermutet, dass Vans neues Album deshalb - wieder mal - im Country angesiedelt sein könnte, wird allerdings enttäuscht: Mit Country hat Sir Morrison dieses Mal nur wenig am obligatorischen Hut. Fans von handgemachter, schnörkelloser Roots-Musik sollten aber dennoch ihre Freude an der CD haben.
Vor allem, wenn man den sehr eigenen Gesangsstil des irischen Musik-Pioniers mag. Seit Beginn seiner Karriere singt Van Morrison wie nur wie Van Morrison: emotional, wuchtig, kompromisslos. Mal etwas schräg und neben der anvisierten Note liegend, dann wieder mit Inbrunst den Refrain schmetternd, dass man nur ehrfürchtig staunen kann. Selbst heute ist dieser Mit-Siebziger noch ein kleines Naturereignis. Ein Schauspiel, das sich konventionellen Musikkritik-Maßstäben längst entzogen hat. Ähnlich wie sein Buddy Willie Nelson spielt Sir Van Morrison schließlich längst in seiner eigenen Liga. Ein Segment, in dem der Künstler sämtliche Freiheiten genießt - und diese mit Genuss ausschöpft.
Wie bei vielen seiner jüngeren Alben erinnert auch "Three Chords and The Truth" eher an eine lässige, vergnügte Session mit guten Freunden, als an eine penibel aufgenommene CD-Aufnahme mit virtuosen Studiomusikern. Anstatt Perfektion strebte dem guten Van - er produzierte das Werk auch selbst - selbstredend das Einfangen der magischen Studio-Moments vor. Selbst dann, wenn etwas ungeschliffen klingt. Vielleicht sogar: vor allem dann. Jedenfalls lässt Sir Van Morrison bei "Three Chords and The Truth" ab dem über viereinhalb minütigen Folk-Opener "March Winds in February" keine Zweifel darüber aufkommen, dass er mit diesem Album seinen Spaß haben will. Es soll für den Hörer grooven und swingen, als ob man gerade in einem Club in Dublin wäre. Nun, das ist dem Altmeister mit der CD allemal gelungen.
"Three Chords and The Truth" - als ob man bei einem Club-Gig in Dublin dabei wäre
Nehmen wir nur mal den zweiten Track "Fame Will Eat The Soul". Für den Song, der die Schattenseiten der Popularität abarbeitet, holte er sich eine weitere Legende ins Studio: Ex-Righthouse Brothers-Sänger Bill Medley. Gemeinsam grölen die beiden Veteranen Textzeilen wie "drank some darkness, don’t you" und "can’t get back on track, when every clown wants to take you down". Ihr beherztes, knapp fünfminütiges Star-Wundenlecken verpacken die beiden in soulige Bluesklänge, bei denen Organist John Allair und Gitarren-Ass Jay Berliner instrumentale Highlights setzen. Im Gegensatz zu den meisten aktuellen Duetten, die fast immer einzeln in unterschiedlichen Studios aufgenommen werden, klingt dieses Stelldichein der Routiniers sehr nach gemeinsamer Session. Beide pushen sich, beide feuern sich ständig an. Ein Highlight der CD!
Dunkel und soulig bleibt es auch bei den nächsten Tracks, der ganz nach Jam-Session klingenden Blues-Ballade "Dark Night of the Soul" und dem etwas verzweifelten "In Search of Grace", eine gelungene Kreuzung aus Beat, Gospel und Reggae. Mit erdigen Blues-, Rhythm & Blues- und Soultönen geht es auch mit den nächsten Tracks weiter. Mal gibt der Sir etwas Gas ("Road Beween the Lines"), mal schwelgt er in köstlichem Selbstmitleid ("If We Wait For Mountains"). Zwischendrin erinnert er sich mit ruppigem Rock 'n' Roll an die "Early Days", Boogie-Woogie-Klaviersolo inklusive.
Weitere echte Glanznummern präsentiert der musikalische Eigenbrötler aber erst wieder gegen Ende der CD: der von einer gemütlichen Orgeln dominierte Blues von "Up On Broadway", der unaufgeregt arrangierte Rhythm & Blues des Titeltracks und - als i Tüpfelchen und Versöhnung mit allen CountryMusicNews.de-Usern - die rustikale, herrlich selbstironische Country-Ballade "Bags Under My Eyes".
Fazit: Sir Van Morrison haut mal wieder eine CD raus und bietet mit "Three Chords and The Truth" eine 14 Songs starke Vollbedienung seiner Fans: rau, ruppig; mal schräg, immer aber herzlich und emotional.
Label: Exile / Caroline (Universal) | VÖ: 25. Oktober 2019 |
01 | March Winds in February |
02 | Fame Will Eat The Soul |
03 | Dark Night of the Soul |
04 | In Search of Grace |
05 | Nobody in Charge |
06 | You Don't Understand |
07 | Read Between The Lines |
08 | Does Love Conquer All? |
09 | Early Days |
10 | If We Wait For Mountains |
11 | Up On Broadway |
12 | Three Chords and The Truth |
13 | Bags Under My Eyes |
14 | Days Gone By |