Als Keith Urban mit sieben Jahren ein Johnny Cash-Konzert erleben durfte, da stand für ihn fest: "Ich bin ein Countrystar! Holt mich hier raus!" Schon sein Debüt, "Keith Urban" von 1991, erreicht die Pole Position in den Countrycharts. Vorerst natürlich nur die der australischen. Vorerst, wie gesagt.
Mit Mitte 20 wagt Keith Urban den Umzug nach Nashville und muss komplett von vorne beginnen. Sein australischer Erfolg zählt hier nicht, nicht einmal seine Erfahrungen mit der Hard-Rock-Combo Fractured Mirror, mit hochtoupiertem Harr und knallengen Spandexhosen konnten ihm hier kein Bier kaufen. Urban stopft sich im Frust mit Drogen und Alkohol voll, doch als er ganz, ganz unten ist, da schlug endlich eine Entziehungskur an. Es geht langsam aufwärts, dem Trio The Ranch folgten Engagements bei Garth Brooks und den The Chicks.
Der Durchbruch gelingt mit seinem zweiten, wiederum selbstbetitelten Album, zehn Jahre nach dem ersten. Der Song "But For The Grace of God" wird seine erst Nummer 1, eigentlich ein Popsong, geschrieben von Charlotte Caffey und Jane Wiedlin von den GoGo's. Der Nachfolger "Golden Road" von 2002 sollte diesen fulminanten Erfolg noch übertreffen: Acht Wochen Nummer 1. In den US, wohlgemerkt.
"Be Here" - 14 Songs voll lebenbejahender Energie
Die lange Vorrede ist nötig, um Urbans aktuelles Album, "Be Here" zu verstehen. 14 Songs, wie auch beim Vorgänger "Golden Road" meist produziert mit Dann Huff, voll lebenbejahender Energie, die bei einem Künstler wie Urban nicht als gefälllige Plattitüden anbiedernd daherkommen, sondern die eine tiefe Erfahrung widerspiegeln: Die von jemandem, der sich selbst am eigenen Schopfe aus dem Sumpf gezogen hat und nun die guten Tage genießt, aber immer weiß, dass es auch schlechte gibt.
Keith Urban eröffnet sein drittes US-Album "Be Here" schwungvoll: mit der spritzigen Uptempo-Nummer "Days Go By" und der groovig-vertrackten Countryrock-Perle "Better Life", geschrieben mit dem Kollegen Richard "Right Here Waiting" Marx. Dann schaltet er drei Gänge zurück, für die zarte Slidegitarren/Streicher-Ballade "Making Memories of Us", geschrieben von Rodney Crowell (auch Komponist für u.a. Emmylou Harris und Waylon Jennings). Die ruhigeren, melancholischeren Momente entleiht er sich vorzugsweise meist fremd komponierten Songs wie Matraca Bergs/Jim Collins' "Nobody Drinks Alone" oder "The Hard Way" aus der Feder von Rivers Rutherford und Gordie Sampson.
Für seine eigenen Songs suchte und fand Keith Urban Co-Kompositions-Unterstützung bei John Shanks und Monty Powell und exzerzierte mit ihnen die Gefühls- und Stilpalette des populären Country durch: Uptempo-Pop wie "You're My Better Half" oder "She's Gotta Be", ein paar zweckdienliche Balladen ("Tonight I Wanna Cry" - nicht sein inspiriertester Moment, diesmal), kopfwackelnder Traditionscountry ("I Could Fly"), etwas Dankbarkeits-Pathos im Gewand eines flotten Banjo-Four-On-The-Floor-Stampfers ("God's Been Good To Me") und immer wieder: Lebensbejahendes wie "Live to Love Another Day". Am schönsten klagen die Slidegitarren ausgerechnet bei einer Elton-John-Nummer: "Country Comfort": Hymnscher Wohlfühl-Country-Pop. Die 60-Minuten-Spieldauer überschreitet "Be Here" dank des Mandolinengetriebenen Songs "You (Or Somebody Like You)" - als exklusiver Bonustitel nur auf der europäischen Version erhältlich.
Fazit: Es müsste eigentlich mit dem Teufel zugehen, sollte der unrasierte Neuseeländer Keith Urban mit seinem dritten Album für den US-Markt, "Be Here", den Erfolg seines "Golden Road"-Albums von 2002 nicht nochmals übertreffen können