Zehntes Studio-Album bietet Mix der Genres
Keith Urban ist eine ehrliche Haut. So gibt der neuseeländische Country-Sänger zu, dass es sich bei seinem zehnten Studio-Werk nicht um eine Country-Veröffentlichung, sondern um einen Mix der Genres handelt. Das dürfte für alle, die vor gut zweieinhalb Jahren "Ripcord" gehört haben, keine große Überraschung sein, denn schon damals wagte sich der Gitarrist verstärkt auf musikalisches Neuland - und bewegte sich dabei unter anderem sehr souverän mit Carrie Underwood auf dem Dancefloor.
"Ripcord" erschien seinerzeit nicht in Deutschland. Als ob das Label dies jetzt wieder zurechtrücken möchte, stammen die Bonustracks der jetzigen Veröffentlichung von "Graffiti U" eben von dem Vorgängeralbum. Ausgewählt wurden die erfolgreichsten Tracks, also die Ballade "Blue Ain't Your Color", das bereits erwähnte "The Fighter" mit Carrie Underwood und das an frühere Hits erinnernde "Wasted Time".
Die bei seinem neunten Album angesteuerte Entwicklung hat Keith Urban mit "Graffiti U" konsequent fortgesetzt. Nicht zufällig tituliert das Label den Songschreiber mittlerweile als "Crossover-Musiker in den Bereichen Country und Popmusik". Für Country-Ultras sind die neuen Nummern eine Einladung, um den 51-Jährigen mit Spott und Hohn zu überschütten, denn mit der Musik, die den Mann in großen Teilen der Welt bekannt gemacht hat, haben die neuen Tracks nur noch sehr wenig zu tun.
Dennoch - ein gutes Händchen für Songs hat Keith Urban weiterhin. "Never Comin' Down" beispielsweise könnte - wenn man die etwas versteckte Gitarre hervorhebt und ein Banjo statt der Beats unterlegt - schon als typische Urban-Nummer durchgewinkt werden. Mit "Way Too Long" ist dazu eine intensive Ballade gelungen, die zwar ab dem zweiten Drittel arg elektronisch untermalt wird, aber dennoch ihre Seele bewahrt.
Frauen-Power bei "Graffiti U" nicht immer gewinnbringend
Wieder hat sich Keith Urban für die Produktion einige jüngere Damen als Unterstützung ins Studio bestellt. Bei "Horses" singt Lindsay Ell mit. Fans der Sängerin müssen da aber schon sehr genau hinhören.
Deutlich lautstärker ist der Beitrag der jungen Kassi Ashton, deren Stimme dem tanzbaren "Drop Top" eindeutig ihren Stempel aufsetzt. Nicht ganz so furios wie der Dancefloor-Smasher mit Carrie Underwood, aber dennoch packend, wenn man gewillt ist, Genre-Grenzen hinwegzuhören.
Nur halb so alt wie Keith Urban ist Julia Michaels, die bei "Coming Home" mit an Bord ist. Selbst wenn die Nummer einen Riff aus Merle Haggards "Mama Tried" beinhaltet, springt der Funke nicht über. Eher erweckt die Nummer den Eindruck, dass Urban damit auf der einen Seite beim Jungvolk und ebenso bei Country-Veteranen punkten möchte, was jedoch nicht gelingt.
Insgesamt braucht sich der Sänger zumeist aber nicht vorwerfen lassen, den Trends der jüngeren Generation nachzuhecheln, denn dazu ist die Platte zu stark von Anleihen an den elektronischen Pop der 80er Jahre durchsetzt, wie bei unter anderem bei provokanten "Gemini" zu hören ist. Schade, dass zu oft die technische Unterstützung dominiert, fast so als müsse jede Nummer unbedingt poppig und bunt klingen. Die Devise "weniger ist mehr" hat der Gatte von Nicole Kidman auf jeden Fall nicht beachtet.
Fazit: Erst war es Country mit Pop, jetzt ist es eben Pop mit Country. Die Entwicklung von Keith Urban gefällt sicher nicht jedem Anhänger der ersten Stunde. Gute Musik macht der Mann aber trotzdem noch.
Label: Hit Red / Capitol Nashville (Universal) | VÖ: 1. März 2019 |
01 | Coming Home (mit Julia Michaels) |
02 | Never Comin Down |
03 | Same Heart |
04 | My Wave (Intro) |
05 | My Wave |
06 | Parallel Line |
07 | Drop Top (mit Kassi Ashton) |
08 | Way Too Long |
09 | Horses (mit Lindsay Ell) |
10 | Gemini |
11 | Texas Time (Intro) |
12 | Texas Time |
13 | Love The Way It Hurts (So Good) |
14 | Female |
15 | Steal My Thunder |
16 | Blue Ain't Your Color |
17 | The Fighter (mit Carrie Underwood) |
18 | Wasted Time |