Geboren in Milton, Delaware, zog er 2007 ins gelobte Country-Mekka Nashville, um es als Sänger zu schaffen. Das wollen viele. Zu viele. Und die meisten geben nach dem 100. "Nein Danke" oder "Wir melden uns bei dir" auf, gehen dahin zurück, wo sie hergekommen sind und suchen sich einen 9 to 5 Job. Nicht so Jimmie Allen. Er probierte alles. Er nahm an jedem Contest und Nachwuchswettbewerb teil, den die Country-Szene zu bieten hat: "America's Got Talent", "American Idol" und natürlich die unzähligen regionalen Talent-Shows. Meist schied er schon aus, als es begann interessant zu werden, als die Kameras dabei waren und das große Publikum zuschaute. Angeblich war er phasenweise so arm, dass er in seinem Auto leben musste. Hartes Brot. Aber so ist das Musik-Business.
Jimmie Allen hat seinen Traum verwirklicht
Einerseits. Andererseits schreibt die Musikindustrie immer wieder auch Geschichten, die märchenhaft klingen. In denen ein Nobody zum Star wird - auch das gehört zur Biografie des heute 34-jährigen Sängers und Songschreibers. Für die Initialzündung sorgte Scotty McCreedy, mit dem sich bei American Idol anfreundete. Der spätere Gewinner nahm Jimmie Allen mit auf Tour und so kam eines zum anderen: Plattenvertrag, Publishing-Deal, Hit-Singles wie "Best Shot", "Make Me Want To" (jeweils Nummer eins in den US Country-Airplay-Charts), das Album "Mercury Lane" (Platz elf der US Country-Charts). Vor allem aber gelang es Allen, mit seiner samtigen, R&B-getränkten Country-Stimme die Herzen der Kritiker zu erobern. Sie orteten seinen Sound irgendwo zwischen den Klängen von Sam Hunt und Thomas Rhett. Ein hitverdächtiges Terrain, keine Frage.
Nach der EP "Bettie James" macht er nun mit dem das Full-Length-Album "Bettie James Gold Edition" den nächsten Karriere-Schritt. Es dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach, ein Schritt in Sieben-Meilen-Stiefeln sein. Nicht nur, weil Jimmie Allen mit "Bettie James" – der Titel verweist auf seinen verstorbenen Vater und auf seine verstorbene Großmutter – 16 exzellente Country-Rock- und -Pop-Songs bereithält. Sondern weil er für jeden einzelnen Track einen Gaststar der Premium-Klasse präsentiert. Nicht nur aus dem Country-Segment, sondern auch aus Pop und HipHop. Mehr Crossover geht nicht.
Den Auftakt des Star-Reigens übernimmt Locash. Das Duo steht Jimmie Allen in dem sehr knackigen, sehr dynamischen Country-Pop-Song "Get Country" zur Seite - und verströmt gleich mal gute Laune. Klasse Opener! Gefühlvoll wird es im nächsten Song. Gemeinsam mit den Honig-Stimmen von Lanco beschwört er mit "Home Sweet Hometown" das so oft schon besungene Heimatgefühl – und trifft damit, jede Wette, in die Herzen vieler Country-Fans. Ob ihm das auch mit dem nächsten Titel gelingt? Wohl eher kaum. Denn im Verbund mit den Rappern und R&B-Größen Pitbull & teamwork, Flavor und Vikina schlägt Jimmie Allen erwartungsgemäß andere Töne an: Rap, HipHop und hippe Sounds. Einmal im Club, bleibt man doch noch gerne auf einen weiteren Drink. Den dazu passenden Sound liefert Allen mit dem Track "Somebody" gemeinsam mit dem R&B- und Soul-Sänger Breland und dem aus Tennessee stammenden Rapper Lathan Warlick. Kann man hören. Muss man aber nicht.
Was sich vom anschließenden "Pray" nicht sagen lässt. Denn hier macht der Nachwuchsstar gemeinsame Sache mit einem Top-Act: mit Little Big Town. Angereichert wird der gospelhafte, balladeske, ganz auf die Kraft der Stimmen ausgerichtete Song dazu noch um die stimmgewaltige R&B-Sängerin Monica. Sehr bewegend! Nun, bewegend ist auch der nachfolgende Titel. Aber in einem anderen Sinne: bei "Boy Gets A Truck" geht die Post ab - und musikalisch auch in die richtige Richtung. Dafür sorgt kein Geringerer als Keith Urban, mit dem Allen ein sehr überzeugendes Team bildet.
"Bettie James Gold Edition": 16 Songs und 16 Top-Gaststars
Top auch die weiteren neuen Songs: das sehr melodische, im gemächlichen Tempo angelegte "Livin' Man" mit Neon Union, das soulige Schmacht-Rührstück "Forever" mit dem einstigen Superstar des Soft-Souls, Babyface, sowie das flotte, temperamentvolle und dazu auch melodiöse "Tequila Talkin'", bei dem ihm Lindsay Ell und teamwork zur Seite stehen.
Nach diesen neuen Tracks kommen die sieben Songs der vorabveröffentlichten EP. Also: "Good Times Roll", in dem er ziemlich perfekt HipHop- und Black-Music-Elemente mit Country-Flair und Pop-Melodien verknüpft – und Rap-Star Nelly den für diesen Sound bestmöglichen Gaststar bereithält. Ein Song mit guten Hitchancen. Das gilt auch für den eindeutig im Country angesiedelten nächsten Track "Drunk & I Miss You". Schon der Titel macht klar, dass es sich dabei um eine Ballade handelt. Gemeinsam mit Mickey Guyton lässt er das Sehnsuchtsgefühl des Lady A-Krachers "Need You Now" herrlich emotional aufleben.
Mit "Made For These" legt der grandiose Sänger noch eine Schippe drauf. Dafür sorgen die großartig komponierte Ballade und - nicht zuletzt - Gaststar Tim McGraw. Es ist lange her, dass man den großen Tim so berührend schmachten hörte. Hit? Das will man sehr hoffen! So prächtig sich Jimmie Allen im tränengetränkten Terrain des Balladen-Fachs schlägt – er kann auch anders. Er kann gut drauf sein, Spaß haben und Frohsinn verbreiten. Den Beweis liefert das nachfolgende "Freedom Was A Highway", bei dem er sich das Mikro mit dem notorisch gut gelaunten Brad Paisley teilt.
Herzstück des Albums bildet das nachfolgende "Why Things Happen". Für den ruhigen und nachdenklichen Song lud sich Allen als Stargäste Charly Pride und Darius Rucker – und versammelt damit die wichtigsten afroamerikanischen Country-Sänger der letzten Jahrzehnte. Es ist ein bewegender Moment mit starker Symbol-Kraft, ein in Worte und berührenden Melodien gegossenes Black-Live-Matter-Monument. Mehr noch: Der Song spendet Trost und verleiht Hoffnung, er regt zum Nachdenken an und appelliert mit jeder Note, mit jedem Wort an die Menschlichkeit. Mehr kann Musik nicht bewirken.
Bevor das Album mit dem gefühlvollen, aber auch eher harmlosen Country-Hip-Hop-Song "This Is Us" (mit Noah Cyrus) ausklingt, sorgt Allen noch einmal für ein großes Stelldichein: Bei "When This Is Over" assistieren ihm Tauren Wells, Rita Wilson und – wie schön! – die Oak Ridge Boys. Auch diese soulige Country-Ballade bringt so viel Gefühl und Tiefgang mit, dass man sie immer wieder hören möchte. Wie gut, dass sich Jimmie Allen einst nicht von seinem Plan abbringen ließ…
Fazit: Mit "Bettie James Gold Edition" präsentiert Jimmie Allen das derzeit wichtigste Album aus Nashville - Gaststars wie Tim McGraw, Little Big Town, Keith Urban, Brad Paisley, Darius Rucker und Charly Pride waren dabei behilflich.
Label: Stoney Creek / BMG (Warner) | VÖ: 10. Juli 2020 |
01 | Get Country (mit LoCash) |
02 | Home Sweet Hometown (mit Lanco) |
03 | Flavor (mit Vikina) |
04 | Somebody (mit Breland & Lathan Warlick) |
05 | Pray (mit Vikina, Monica & Little Big Town) |
06 | Boy Gets A Truck (mit Keith Urban) |
07 | Livin' Man (mit Neon Union) |
08 | Tequila Talkin (mit Lindsay Ell & teamwork) |
09 | Forever (mit Babyface) |
10 | Good Times Roll (mit Nelly) |
11 | Drunk and I Miss You (mit Mickey Guyton) |
12 | Made For These (mit Tim McGraw) |
13 | Freedom was a Highway (mit Brad Paisley) |
14 | Why Things Happen (mit Darius Rucker und Charley Pride) |
15 | When This Is Over (mit Tauren Wells, Rita Wilson und The Oak Ridge Boys) |
16 | This Is Us (mit Noah Cyrus) |