Die Messlatte hängt bei einer Tim McGraw-CD natürlich immer hoch. Schließlich blickt der Gatte von Faith Hill auf 40 Millionen verkaufte Alben, drei Grammys und 32 Country-Nummer-eins-Singles zurück. Mit "Two Lanes of Freedom" wird er weiter in der Erfolgsspur bleiben, so viel steht schon fest. Obwohl er mit dem Album vielleicht doch etwas zu viel auf einmal will. Wer sich die CD durchhört und die insgesamt 15 Titel Revue passieren lässt, erinnert sich an: Pathos, Pomp, an viele, viele Geigen - aber nur an ganz wenige Fiddles. Man hört den Nachhall von rabiaten Gitarren-Riffs und bombastischen Drums - aber nur selten einen leichten, lässigen Groove. Und natürlich: viele Gitarren-Soli. Nahezu jedes einzelne ist klanglich im Bon-Jovi-Stadion-Format angelegt. Filigranes Fingerpicking? Fehlanzeige.
Das Maß der Dinge wird gleich im Opener und Titeltrack definiert: eine Perfomance im XXL-Format. Nach einem verhaltenen, an keltische Folk-Klänge erinnernden Beginn, steigert sich das viereinhalb Minuten lange Werk zu einem pompösen Rock-Spektakel, für das sich auch U2 nicht schämen müssten. Vor allem das Finale, bei dem L.A.-Studio-Gitarrist Michael Landau und Drummer Shannon Forrest ihre beeindruckenden Kunststücke auspacken, gerät zur wuchtigen Inszenierung. Schon irgendwie toll. Aber eben auch etwas zu viel des Guten.
Dieser Eindruck setzt sich mit der nachfolgenden Single "One of These Nights" (nicht zu verwechseln mit dem alten Eagles-Klassiker) fort. Dem transparenten Beginn folgt, je mehr Takte ins Land gehen, ein megadicht gewobener Klangteppich. Phil Spector, der Erfinder des "Wall of Sounds", wäre vermutlich begeistert davon. So oder so ähnlich sind etliche Titel der erneut von Byron Galimore und Tim McGraw produzierten CD gestrickt. "Friend of a Friend" zum Beispiel, oder "It’s Your World".
Natürlich bietet das Album auch typisch relaxte Tim-McGraw-Kost. Nette, für gute Laune sorgende Titel wie "Nashville Without You" oder "Southern Girl", bei dem der modisch immer mehr zum Man-in-Black werdende Superstar im Refrain zum Vocoder greift um für hippe Sounds zu sorgen.
Apropos "hip" - bei der weiteren Single-Auskopplung "Truck Yeah" zieht er nun aber wirklich alle Register: brettharte Rock-Riffs, tonnenschwere Beats, als Kontrapunkt: ein braves Banjo. Und über allem ein rappender Tim McGraw. Big & Rich lassen herzlich grüßen. Dass McGraw & Co. den wuchtigen Titel auch auf der Bühne aus dem Ärmel schütteln können, belegt die Live-Version des Songs als Bonustrack.
Zu den Glanzlichtern der CD gehören trotzdem andere Songs: die ruhigeren, melancholischen, ganz im Country-Sound gehaltenen Titel wie "Book of John", "Annie I Owe You A Dance" und "Let Me Love It Out of You". Als in jeder Beziehung herausragend erweist sich die James Slater, Brad- und Brett Warren-Komposition "Mexicoma". Ein flotter, im Zwei-Vierteltakt angelegter Track, der mit seiner zwingenden Melodie glatt an Robbie Williams denken lässt. Das Arrangement - inklusive Tuba, Horn, Akkordeon und tollem Gitarren-Solo - tut sein übriges.
Bei "Highway Don’t Care", für das erneut Brad und Brett Warren mitverantwortlich sind, kommt es schließlich noch zu einem intimen Gipfeltreffen angesagter Nashville-Größen: das Mikro teilt er sich bei der typischen McGraw-Ballade mit Country-Königin Taylor Swift; die Lead-Gitarre steuert Keith Urban bei. Man kennt sich, man mag sich, man hilft sich schon mal gegenseitig aus.
Fazit: Tim McGraw ist immer noch ein grandioser, ausdrucksstarker Sänger. Aber beim BigMachine-Labeleinstand fehlt ihm seine sonst übliche Lockerheit. Er will es zu genau wissen - und schießt über das Ziel hinaus.
Label: Big Machine (Universal) | VÖ: 12. März 2013 |
Titelliste
01 | Two Lanes of Freedom |
09 | Mexicoma |
02 | One of Those Nights |
10 | Number 37405 |
03 | Friend of a Friend |
11 | It's Your World |
04 | Southern Girl |
12 | Tinted Windows |
05 | Truck Yeah |
13 | Highway Don't Care (mit Taylor Swift und Keith Urban) |
06 | Nashville Without You |
14 | Truck Yeah (Live) |
07 | Book of John |
15 | Let Me Love It Out of You |
08 | Annie I Owe You a Dance |