Es geht zunächst um die Frage: Warum macht sie das? Was ist der Grund dafür, diesen Meilenstein ihrer Karriere jetzt erneut setzen zu wollen? Die Antwort könnte verkürzt ausgedrückt lauten: Weil sie ihre Songs auch als ihr Eigentum betrachtet. Kurzer Rückblick: Als Taylor Swift vor 13 Jahren "Fearless" veröffentlichte, war sie 18 Jahre alt und frisch bei Big Machine Records unter Vertrag. Diesem Label blieb sie für insgesamt sechs (Hit)Alben treu. Nach ihrem Weggang zu Universal wurde Big Machine Records an einen Investor verkauft - und seitdem streitet sich Taylor Swift leidenschaftlich mit dem neuen Besitzer über die Besitzansprüche ihrer Musik. Klar ist: Swift besitzt die Rechte an den Liedern, der mächtige Investor ist Eigentümer der Mastertapes. Verzwickt, verzwickt...
Der Name ist Programm: "Fearless (Taylor's Version)"
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere. So einen Fall gab es in der Musikgeschichte schon öfters. Als ultima ratio bei diesen Rechte-Pokerspielen ist meist, dass der geleimte Künstler das Album neu aufnimmt, um so das alte Label zurückzuleimen. Motto: Wie du mir, so ich dir... Neben dem günstigen Umstand für den Künstler, nunmehr auch über die Masterbänder vollständige Kontrolle zu haben, birgt so ein Recycling alten Materials sowohl eine künstlerische Chance als auch Gefahr: Wie fühlen sich die alten Hits nach so langer Zeit jetzt an? Passen Stimme und Stimmung überhaupt noch zu den Evergreens? Oder versteht es der Künstler oder die Künstlerin, den bestens bekannten Stoff mit neuen Elementen und frischer Energie aufzuladen? Fragen über Fragen, worauf im Falle von Taylor Swift jetzt "Fearless (Taylor's Version)" die Antworten gibt.
Befassen wir uns aber vorab mit den Fakten: "Fearless", Jahrgang 2008, hielt in der Standard-Version 13 Tracks plus drei Bonus-Titel parat, die aufgemotzte "Platinum Edition" bot sogar 19 Tracks. Üppig, üppig. Ein Blick auf "Fearless (Taylor's Version)" verdeutlich, dass die einflussreichste Sängerin der Welt weiß, was sie ihren Fans schuldig ist: Mit 26 Titeln ist die Standard-Ausgabe großzügig bestückt, die Deluxe-Version hält dagegen nur noch einen weiteren Track parat, den "Elvira Remix" ihres Mega-Hits "Love Story". Wir stellen fest: Mehr Masse. Aber auch mehr Klasse? Vom Klangbild her dürfte sich, ohne dass man auch nur einen Ton von "Fearless (Taylor's Version)" gehört hat, schon etwas verändert haben. Schließlich sitzt im Produzenten-Stuhl bei der Neuauflage des Albums jetzt anstatt von Nathan Chapman jetzt vor allem Aaron Dessner./p>
Letzteres Detail dürfte nicht unwichtig sein. Schließlich wird Dessner eher als Alternative-Musiker gehandelt, als hochtalentierter Soundtüftler, als Grenzgänger, als kreativer Überflieger, der mit seinen Bands wie The National, leidlich genial alle Genrebarrieren von Americana bis Jazz nimmt. Allerdings ist er alles andere als ein richtig großer Name. Seine persönliche Diskographie auf Spotify weist gerade mal 153 Follower auf. Aber gut, warum nicht. Taylor Swift war schon immer für ihre mutigen Experimente bekannt. Sie ist tatsächlich auch auf diesem Gebiet "Fearless".
"Fearless (Taylor's Version)" zeigt das enorme Talent von Taylor Swift auf
Sie kann es sich auch leisten. Die "Swifties", so wie sich ihre Fans in aller Welt nennen, lieben sie ohnehin bedingungslos. Für jeden Song. Für jede Melodie und Textzeile. Sie werden deshalb auch "Fearless (Taylor's Version)" lieben. Völlig zu Recht übrigens. Denn: trotz Neuaufnahmen mit neuem Produzenten-Team (Christopher Rowe und Taylor Swift mischen auch mit) bleiben die Songs Taylor Swift-Songs. Durch und durch. Nehmen wir nur mal "Love Story". In der ersten, 2008 acht Mal mit Platin ausgezeichneten Single-Auskopplung gibt im Original eine verhaltene E-Gitarre die Tonlage vor. Im Remake ist es jetzt ein zirpendes Banjo. Wenn sich der Track dem Refrain nähert, klingen beide Versionen: ziemlich überwältigend. Wuchtig, voller Emotionen und voller Leidenschaft. Natürlich klingt die heute 32-jährige Taylor Swift etwas anders als ihre 18-jährige Version. Nicht unbedingt dunkler (in Wahrheit ist die neue Version um einen Tick höher in der Stimmlage angelegt), aber voller, reifer und selbstbewusster.
Das lässt sich auch im Verlauf der Doppel-CD bestaunen. Taylor Swift hat in den 13 Karrierejahren seit "Fearless" nicht nur an künstlerischer Statur gewonnen. Sie ist längst die wichtigste und erfolgreichste Sängerin - und dazu der Prototyp des Crossover-Acts. Ihre "Fearless"-Songs funktionieren einfach überall: auf dem Land, in der Stadt, bei Country- und bei Pop-Fans, bei Jung und Alt. Wer sich die 19 Songs der Reihe nach durchhört - erst die 13 Titel der Standard-Fassung, dann die weitern sechs der Platinum-Version -, dürfte erstaunt sein. Vielleicht erneut. Süße 18 Jahre jung war sie jung, als sie etwas altklug von "Fifteen" sang, "Hey Stephan" anhimmelte oder - ganz den Country- und Folk-Roots geschuldet - von einem "White Horse" schwärmte. Wie schon 2008, steht ihr bei "Breathe" auch jetzt wieder Colbie Caillat als Duett-Partnerin zur Seite. Damals wie heute: ein großartiger Song! Bei der Neuinterpretation von "Forever & Always" hat sie sich für die "Piano Version" der Platin Edition entschieden. Gute Wahl! Der Song braucht kein lärmiges Pop-Arrangement. Ganz im Gegenteil.
Die neuen Songs von "Fearless (Taylor's Version)" schrieb sie im Alter von 16 und 18 Jahren
Über die weiteren bekannten "Fearless"-Tracks muss man nicht mehr viel Worte verlieren. Sie sind längst Teil der Country-Folklore. Doch wie klingen die sieben neuen Tracks? Ist hier womöglich ein stilistischer Bruch auszumachen? Klare Antwort: keinesfalls. Was aber auch nicht verwunderlich ist. Denn Taylor Swift hat für ihre "Fearless (Taylor's Version)" nicht einfach neues Material aus ihrer Feder draufgepackt, sondern Songs, die sie während der "Fearless"-Ära mit 16 bis 18 Jahren schrieb. Songs jener Lebensphase also. Das hört und fühlt man. Erstaunlich ist es vielmehr, dass es Song-Hochkaräter wie "You All Over Me", bei dem ihr Maren Morris zur Seite steht, nicht auf das damalige Album geschafft haben. Die berührende, sehr reduziert produzierte Ballade gehört vielleicht sogar zu den besten Songs, die Taylor Swift jemals aufgenommen hat.
Ein weiteres Duett setzt ein weiteres Highlight von "Fearless (Taylor's Version)": "That's When" mit Gaststar Keith Urban. Urban hat im Vorfeld getwittert, dass er von den Produzenten gefragt wurde, ob er bei ihrer Band mitmachen möchte - und dass er die "Fearless"-Sängerin lieben werde. Er habe mit "hell yes!" geantwortet und sei nun von dem Duett mit Taylor völlig aus dem Häuschen "Die Sterne sind günstig gestanden, es war großartig." Recht hat er! Neben den beiden Duetten hält sie auf der über eine Stunde und sechs Minuten dauernden Doppel-CD noch euphorische Country-Tracks wie "We Were Happy", "Mr. Perfectly Fine", sowie die eher nachdenklichen Titel "Today Was A Fairytale" und "Don't You" bereit. Mit dem zuckersüßen "Bye Bye Baby" beendet sie "Fearless (Taylor's Version)".
Fazit: Ihr gehören die Songrechte - und jetzt auch die Masterbander. Mit "Fearless (Taylor's Version)" macht Taylor Swift ihr Versprechen wahr, alle sechs, während ihrer Big Machine Label-Zeit aufgenommenen Alben neu aufzunehmen. Der Auftakt ist: vollauf gelungen!
Label: Republic (Universal) | VÖ: 9. April 2021 |
01 | Fearless (Taylor's Version) |
02 | Fifteen (Taylor's Version) |
03 | Love Story (Taylor's Version) |
04 | Hey Stephen (Taylor's Version) |
05 | White Horse (Taylor's Version) |
06 | You Belong With Me (Taylor's Version) |
07 | Breathe (Taylor's Version) (mit Colbie Caillat) |
08 | Tell Me Why (Taylor's Version) |
09 | You're Not Sorry (Taylor's Version) |
10 | The Way I Loved You (Taylor's Version) |
11 | Forever & Always (Taylor's Version) |
12 | The Best Day (Taylor's Version) |
13 | Change (Taylor's Version) |
14 | Jump Then Fall (Taylor's Version) |
15 | Untouchable (Taylor's Version) |
16 | Forever & Always (Piano Version) (Taylor's Version) |
17 | Come In With The Rain (Taylor's Version) |
18 | Superstar (Taylor's Version) |
19 | The Other Side of The Door (Taylor's Version) |
20 | Today Was A Fairytale (Taylor's Version) |
21 | You All Over Me (Taylor's Version) (From The Vault) (mit Maren Morris) |
22 | Mr. Perfectly Fine (Taylor's Version) (From The Vault) |
23 | We Were Happy (Taylor's Version) (From The Vault) |
24 | That's When (Taylor's Version) (From The Vault) (mit Keith Urban) |
25 | Don't You (Taylor's Version) (From The Vault) |
26 | Bye Bye Baby (Taylor's Version) (From The Vault) |