Wenn man sich ansieht, was alles von und mit Johnny Cash posthum veröffentlicht wurde und wird, möchte man glauben: So produktiv war the Man in Black zu Lebzeiten niemals. Manches Tondokument hätte freilich gerne auch in den Archiven sein Dasein fristen dürfen. Keinesfalls aber das jetzt wiederveröffentlichte "Konzert v Praze - In Prague Live". 1983 kam der am 11. April 1978 aufgezeichnete Mitschnitt Konzertes von Johnny Cash in der Prager Sporthalle exklusiv für seine europäischen Fans heraus. Seine amerikanischen Anhänger dürfte dies gegrämt haben, denn die Show zeigt Johnny Cash mit seinen zum Quintett erweiterten Tennessee Three plus der Carter Family in geradezu bestechender Form. Und, wie nett, in missionarischer Mission.
"Konzert v Praze - In Prague Live" - Country jenseits des Eisernen Vorhanges
Schließlich war sich Ex-GI Johnny Cash freilich der Besonderheit bewusst, das "Konzert v Praze - In Prague Live" im damaligen Ostblock zu geben. Dass Country und Rock jenseits des Eisernen Vorhanges von der kommunistischen Regierung mehr als kritisch gesehen wurden und somit ein Underground-Dasein fristen mussten, machte das Konzert zu einem ganz speziellen Ereignis. Auch in Puncto Setlist. Denn neben großen Cash-Knallern - "Ring of Fire" (als Opener), "Folsom Prison Blues" und "I Walk The Line" - präsentiert das glänzend aufgelegte Ensemble etliche weniger häufig gehörte Songs und Interpretationen.
Beispielsweise die beiden Johnny Cash-Songs "I Still Miss Someone" und das aus den 50ern stammende "Big River". Letzteren Track kündigte die Country-Ikone etwas ausführlicher an. Er berichtet davon, wie er sich seine ersten Sporen als Sänger für Sun Records verdiente und wie er zusammen mit Jerry Lee Lewis und Elvis ("he was the king, he still is") die Musikrichtung Rockabilly erfand ("Rock 'n' Roll trifft auf Hillbilly"). Was man darunter zu verstehen hat, belegt dieser pulsierende, dynamische, mit musikalischen Stromschnellen ausgestattete "Big River" eindrucksvoll. Vor allem Dank Drummer W.S. "Fluke" Holland. Seine donnernden Snare-Drum-Rolls befeuern den Song virtuos. Rhythmische Kenner ist aber vielleicht schon beim Opener "Ring of Fire" die raffiniert synkopierte Bass-Drum-Arbeit des Schlagzeugers aufgefallen. Keine Frage, Mr. Holland hatte im Prager Frühling des Jahres 1978 einen sehr guten Tag erwischt.
Beim "Konzert v Praze - In Prague Live" präsentiert Johnny Cash zwei Medleys
Neben den drei Cover-Versionen "Sunday Mornin' Comin' Down" (Kris Kristofferson), dem Arlo Guthrie-Hit "City of New Orleans" und dem verträumten Floyd Cramer-Instrumental "Last Date" präsentierten Cash & Co. auf "Konzert v Praze - In Prague Live" auch zwei gelungene Medleys: Zunächst das knapp fünfminütige, aus "I Ride An Old Paint" und "The Streets of Laredo" bestehende "Cowboy Medley"; etwas später schicken sie ein über zehnminütiges "Railroad Medley" hinterher. Zum Zug kommen dabei vier Eisenbahner- und Hobo-Klassiker: "Hey Porter", "Wreck of the Old '97", das grandiose, immer schneller werdende "Orange Blossom Special" und die Hymne auf den größten Held der amerikanischen Schiene - "Casey Jones".
Zum Ausklang des denkwürdigen "Konzert v Praze - In Prague Live" überlässt er noch seiner Liebsten, June Carter, und ihrem mehrstimmigen Anhang das Bühnen-Spotlight. Bei "Wabash Cannonball" beweisen Johnny und June, dass sie auch musikalisch ein Traumpaar waren.
Fazit: riginelle Setlist, euphorisches Publikum, Cash und Band in großartiger Spiellaune - "Konzert v Praze - In Prague Live" gehört zweifellos zu den Live-Glanzlichtern im dicken CD-Katalog von Johnny Cash.
Label: Columbia / Legacy (Sony) | VÖ: 5. Februar 2016 |
01 | Ring of Fire |
02 | Folsom Prison Blues |
03 | I Still Miss Someone |
04 | Big River |
05 | I Ride an Old Paint / Streets of Laredo |
06 | Sunday Morning Coming Down |
07 | I Walk The Line |
08 | Last Date |
09 | City of New Orleans |
10 | Hey Porter / Wreck of the Old '97 / Casey Jones / Orange Blossom Special |
11 | Wabash Cannonball |