Bluegrass ist die Musik der Berge, der Appalachen. Rau, wild, emotional; mal düster, mal überschäumend lebensfroh. Country-Elemente fließen genauso ein, wie Folk und schottische- und irische-Folksmusiktraditionen. Bill Monroe, Ralph Stanley und Earl Scruggs haben einst den Weg bereitet - für Acts wie Alison Krauss, die mit dem Genre Welterfolge und gut zwei Dutzend Grammys einfuhr. Daneben arbeitet sich an der traditionellen Stilrichtung eine ganze Reihe junger, hungriger und findiger Formationen ab, um den Roots ein neues Klangelement abzuringen. Bands wie die Avett Brothers, Uncle Earl, Old Crow Medicine Show - oder The Infamous Stringdusters.
Eine feste Bluegrass-Größe in Nashville: The Infamous Stringdusters
Seit 2005 lässt das in Nashville ansässige Sextett um Gitarrist Chris Eldridge und Dobro-Ass Andy Hall mit ihrer gleichermaßen traditionellen, wie modernen Genre-Interpretation aufhorchen. Ihre drei Studio-Alben errangen konsequenterweise Spitzenplätze in den Bluegrass-Charts. Das dürfte für "Ladies & Gentlemen" nicht anders sein. Aus mehreren Gründen. Zum einen, weil die junge, talentierte Herrenriege erneut exzellente Songs schuf um sie mit ihrem akustischen Bluegrass-Outfit grandios in Szene zu setzten. Zum anderen, weil die Neo-Traditionalisten für jeden Track eine großartige Gast-Sängerin gewinnen konnten: Genre-Ikonen wie Lee Ann Womack und Mary Chapin Carpenter genauso wie junges Blut, wie Sarah Jarosz, Claire Lynch und Abigail Washburn.
Den Auftakt, bei Ladies & Gentlemen, zum programmatisch gemeinten Opener "Listen" übernimmt die seit Jahren bewährte Stimme von Joan Osborne. Die Trigger Hippy-Sängerin unterstreicht in dem ruhigen, gefühlvollen Folksong ihren Status in der amerikanischen Music City: ein schöner, ausgewogener Track, der mit jedem Hördurchgang besser wird. An dieser hohen Messlatte würde so manche Sängerin kläglich scheitern. Nicht natürlich ein Gesangs-Kaliber wie die großartige Lee Ann Womack. Ihre Sahne-Stimme, die in den hohen Lagen immer wieder verdächtig an Alison Krauss erinnert, veredelt das balladeske "I Believe" zu einem echten Song-Schmuckstück.
"Ladies & Gentlemen": elf Songs, elf Gastsängerinnen
Nach zwei Größen ist es Zeit für eine erste Newcomerin: Sarah Jarosz heißt die 1991 geborene Texanerin und "Won't Be Long" der Titel, bei dem sie ihre Meisterschaft unter Beweis stellt. Dass Jarosz für ihr letztes, 2013 erschienenes Album "Build Me Up" für einen Grammy in der Kategorie "Best Folk Album" nominiert war, unterstreicht die Klasse der Sängerin.
Aber auch, dass die viel gepriesene, umjubelte und ungleich erfolgreichere Joss Stone mit ihrem nachfolgenden Titel "Have A Little Faith" dieses hohe Niveau nicht halten kann. Zu ihrer Entschuldigung muss man festhalten, dass der Song wesentlich sperriger und unnahbarer ist. Vor allem in der Strophe mag sich kein rechter Flow einstellen, der gelungene Refrain kann das nur bedingt ausgleichen.
Eine dankbarere Songaufgabe übertrugen The Infamous Stringdusters mit "See How Far You've Come" Sara Watkins. Die flotte, gefällige, mit Schmeichelmelodien ausgestattete Bluegrass-Perle dürfte der Nicke-Creek-Sängerin auf den Leib geschneidert sein. In dem dreieinhalbminütigen Titel deutet die Band überdies an, was sie an ihren Instrumenten drauf hat. Und was die Musiker in ihren Lehrjahren bei Earl Scruggs, Dolly Parton & Co. gelernt haben. Die Soli von Fiddle-Spieler Jeremy Garrett und Banjo-Könner Chris Pandolfi setzen jedenfalls virtuose Glanzlichter. Ein weiteres zündet - nach gelungenen Performances von Celia Woodsmith ("Old Whiskey Bottle") und Nicki Bluhm ("Still The One") - die noch als Geheimtipp gehandelte Claire Lynch. Mit zuckersüßer Kleinmädchen-Stimme singt sie das ohnehin wunderschön-hymnische "Ladders In The Sky" in den siebten Song-Himmel. Keine Frage, ein Highlight der CD Ladies & Gentlemen.
Für die große und großartige Mary Chapin Carpenter haben sich The Infamous Stringdusters einen nicht minder passenden Song ausgesucht: das etwas ruppige, erst auf den zweiten Blick schöne "Coming Back to You". Hier spielen The Infamous Stringdusters ihre Stärke aus, indem sie ihre traditionellen Arrangements auf ein recht rockiges Terrain stellen. Das gilt natürlich auch für das finale, von der jungen Abigail Washburn angestimmte und eigentlich eher jazzig angelegte "Rock And Roll". Selten hat musikalisches Augenzwinkern mehr Spaß gemacht.
Fazit: The Infamous Stringdusters dürften mit "Ladies & Gentlemen" reif für den richtig großen Wurf sein. Nicht zuletzt, wegen dieser elf stimmgewaltigen Ladies, die sich die sechs Bluegrass-Gentlemen eingeladen haben.
Label: Compass (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 5. Februar 2016 |
01 | Listen (mit Joan Osbourne) |
02 | I Believe (mit Lee Ann Womack) |
03 | Won't Be Long (mit Sarah Jarosz) |
04 | Have a Little Faith (mit Joss Stone) |
05 | See How Far You've Come (mit Sara Watkins) |
06 | Old Whiskey Bottle (mit Cecilia Woodsmith) |
07 | Still the One (mit Nicki Bluhm) |
08 | Ladders in the Sky (mit Claire Lynch) |
09 | Coming Back to You (mit Mary Chapin Carpenter) |
10 | Run to Heaven (mit Aoife O'Donovan) |
11 | Rock and Roll (mit Abigail Washburn) |
12 | Hazosphere (mit Jen Hartswick) (Bonustrack) |