Lucinda Williams - Car Wheels on a Gravel Road

Im Vergleich mit dem Original hält die Luxus-Ausgabe etliche Extras parat: zwei bislang unveröffentlichte Songs; so genannte "Alternate Versions" von "Down The Big Road Blues" und "Still Long For Your Kiss", ihrem rührseligen Glanzstück vom "The Horse Whisperer"-Album und - auf CD 2 - ein bislang unveröffentlichtes Konzert, aufgenommen im Juli 1998. Alleine schon dieser Mitschnitt ist das Geld für die Doppel-CD wert.

"Car Wheels ona Gravel Road" hat alles, was ein in sich stimmiges Album braucht. Starke Songs, emotionalen Tiefgang, hohen Wiedererkennungswert, eine klare Aussage und mit Lucinda Williams eine Interpretin, die sich kratzbürstig gegen jede Mode und gegen jeden formatierten Trend stemmt. Auch musikalisch. Für Country ist sie zu rockig, für Alternative-Rock zu country und für Folk irgendwie dann doch zu country und rockig. Um es klarer zu sagen: Die 1953 in Lake Charles, Louisiana, geborene Tochter eines Dichters und Literaturprofessors passt in keine Genre-Schublade. Auch wenn diese starrköfige Haltung 20 Jahre lang größere Erfolge verhinderte - mit "Car Wheels ona Gravel Road" konnte sie endlich die verdiente Ernte einfahren.

Das Geheimnis der 13 Titel erschließt sich erst nach mehrmaligem Hören. So geben sich weder die kunstvoll ausgesteckten Meldodiebögen noch die betont ruppigen Arrangements als Schönheiten auf den ersten Blick zu erkennen. Vielmehr sprechen sie eine Einladung aus. Eine Aufforderung, sich intensiver mit den Harmonien und den - stets persönlichen, oft düsteren - Texten intensiver zu beschäftigen. Was sich allemal lohnt. Man nehme nur "Jackson", den 13 und damit letzten Titel der Original-CD. Eine exzellente, sich mühsam aufbauende Ballade, mit einer wehmütigen Stimmung wie sie vielleicht nur noch Mary Chapin Carpenter herzustellen vermag. Oder "Can't Let Go", ein straffer Folk-Blues mit einem dynamischen Slide-Solo. Oder das an Crosby, Stills & Nash erinnernde "Metal Firecracker". Zu den musikalischen Gästen der CD gehören Steve Earle, Emmylou Harris, Charlie Sexton, Roy Bittan und Buddy Miller.

Lucinda Williams ist eine ausgemachte Perfektionistin. Über vier Jahre lang hat sie angeblich an ihrem Meilenstein geschrieben und gehobelt und gemeinsam mit Rick Rubin (Johnny Cash) an den Sounds gefeilt. Der Witz dabei ist: Die Musik darf nicht perfekt, sondern möglichst spontan und frisch - also paradoxerweise unperfekt klingen. Dieses Anliegen, möglichst perfekt unperfekt zu klingen gelang ihr.

Wiederholungsmöglichkeiten hatte sie freilich nicht bei CD Nummer 2, dem am 11. Juli 1998 aufgezeichneten Mitschnitt beim Singer Songwriter-Festival im "The World Café" in Penn's Landing, Philadelphia. Geschadet hat es aber nicht. Im Gegenteil. Die Band, darunter Gitarrist Kenny Vaughan, spielt hingebungsvoll, inspiriert von einer konzentrierten und charmant intonierenden Lucinda Williams. Im Mittelpunkt der Show stehend die Songs von "Car Wheels ona Gravel Road", plus drei ältere Williams-Meisterwerke: "Pineola", "Hot Blood" und "Changed The Locks".

Fazit: Lucinda Williams-Meilenstein in der Deluxe-Version. Das heißt: top Sound, klasse Songs zwischen Folk, Country und Rock und ein Live-Mitschnitt als Zugabe. Und das alles dazu in einem Digipack der Extraklasse.

Label: Lost Highway(Universal)

VÖ: 21. November 2006