Um es kurz zu machen: Es ist ein herrliches Album. Ein erdiges, ein ehrliches Album. Ein Album mit einem Dutzend-Country-Songs - größtenteils aus seiner Feder stammend - die vermutlich mehr Country-Feeling und mehr den Spirit des Genres atmen, als ein Großteil der aktuellen Veröffentlichungen zusammengenommen.
Wenn Seegers mit seiner charmant knödelnden Twang-Stimme in "Lonely Drifter's Cry" von Einsamkeit singt oder in dem schmissigen Country-Rock 'n' Roll von den Strapazen des "Hard Working Man", dann ist das anders. Anders als bei den Größen des Genres, die ja auch gerne die Klischees des Mannes von der Straße bedienen - die aber in Privatjets durch die Gegend fliegen und in Villen mit Pools residieren. Doug Seegers meint was er singt. Er hat das alles erlebt.
Das hat offenbar auch Emmylou Harris überzeugt. Die Ikone des Country hat den Spätstarter angerufen und ihm gesagt, dass sie liebe was er macht - und dass sie bei dem geplanten Duett "ihr Bestes" geben werde. Das hört man. Doug und Emmylou haben sich die Gram Parsons-Komposition "She" vorgenommen. Nicht ohne Grund: Seegers ist bekennender Parsons-Fan und über die Verbindung von Emmylou Harris und Gram Parsons muss man an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Dafür aber umso mehr auf diese wirklich grandiose Interpretation des fantastischen Liebesliedes. Die mollgefärbten Melodien in den Strophen sollten jeden Hörer rühren, bei dem ein Herz und nicht eine Maschine in der Brust pocht. Natürlich ist die Stimme des Spätberufenen eigenwillig und gewöhnungsbedürftig. Aber sie ist markant, spröde, staubig, gebraucht und abgewetzt, und dabei erstaunlich facettenreich. Man nehme nur den rasanten Western-Swing von "Gotta Catch That Train". Wer sich eine Kombination aus Lyle Lovett und Bob Dylan vorstellen kann, bekommt eine Ahnung von dem hier angerührten Sound. Der exzellente Track geht genauso auf sein Konto wie das lässig jazzige und natürlich ebenso garantiert hundertprozentig autobiografische "Burning A Hole In My Pocket". Dass ein Songschmied dieser Qualität so lange unentdeckt geblieben ist, ist eine Schande. Mehr noch: Es ist ein Skandal.
Doug Seegers wird das aber egal sein und er wird sich über das späte CD-Glück einfach nur freuen. Wohl auch darüber, dass ihm Buddy Miller, sein Kumpel aus vergangenen Austin-Tagen, bei der Hank Williams-Komposition "There’ll Be No Teardrop Tonight" als Duett-Partner unterstützte. Und darüber, dass Will Kimbrough (unter anderem Jimmy Buffett) gemeinsam mit ein paar gestandenen Studio-Cracks (darunter Chris Donohue am Bass und Al Perkins an der Pedal Steel) das für ihn perfekte Umfeld schufen.
Fazit: Mit 62 Jahren noch Newcomer. Doch: Das Warten auf den grandiosen Sänger und Songwriter hat sich gelohnt - ein Top-Debüt!
Label: Lion Heart / Rounder / HumpHead / Wrasse (Harmonia Mundi) | VÖ: 16. Januar 2015 |
Titelliste
01 | Angie's Song | 07 | There'll Be No Teardrops Tonight (mit Buddy Miller) |
02 | Going Down to the River | 08 | Memory Lane |
03 | She (mit Emmylou Harris) | 09 | Gotta Catch That Train |
04 | Lonely Drifter's Cry | 10 | Burning A Hole In My Pocket |
05 | Hard Working Man | 11 | She's In A Rock 'n' Roll Band |
06 | Pour Me | 12 | Baby Lost Her Way Home Again |