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Gleich das Coverartwork der ersten Live-CD der Grammy-Gewinnerin Lucinda Williams - seit ihrem 1998 Album "Car Wheels on a Gravel Road" etabliert als einer der besten zeitgenössischen Alternative-Country-Musikerinnen - spricht Bände: Es zeigt das scherenschnittartige, mit liebevollen Details ausgestattete Originalplakat zu Williams dreitägigem Gastspiel im Filmore in San Francisco vom 20. bis 22. November 2003. Es zeugt von einer feinen Geisteshaltung: (Live-)Musik ist nicht einfach ein plump zu bewerbendes Produkt wie ein neues, noch besseres Geschirrspülmittel sondern hat einen Wert, der Moden überdauert. Und ein Livekonzert ist ein individuelles einmaliges Erlebnis, kein Kino, das jederzeit und überall abrufbar wäre. Dieser Einzigartigkeit versucht die Doppel-CD "Live @ The Filmore" tapfer gerecht zu werden: 22 Songs, von Williams höchstpersönlich aus den Aufnahmen der drei Abende ausgewählt. Statt einen virtuellen vierten Rockkonzertabend für daheim zu kompilieren, vereint CD 1 die eher gemächlichen Momente eines Lucinda Williams-Konzerts, während CD 2 tüchtig an Fahrt und Furor gewinnt.
Denn im zweiten Teil gerät "Live @ The Filmore" zu einemLivealbum, das eher auf Druck und Lautstärke setzt, denn auf filigrane Feinheiten eines Songarrangements. Auch wenn Williams nicht so weit geht, wahre Lärmorgien zu veranstalten, der Kollege Neil Young und seine Band Crazy Horse lassen schön grüßen, in mancher ausgedehnten Solojam, die Lucinda Williams mit ihrer bewährten dreiköfigen Band hier auffährt. In dem ausgedehnten Jam zum Song "Joy" beispielsweise. Bösartig wütet und krakeelt sich Lucinda Williams durch den verschleppten, entgegen dem Titel so gar nicht fröhlich klingenden Song. Gleich darauf nimmt sie sich den eher verhaltenen Titelsong ihres Albums "Essence" zur Brust: Da macht Williams ihrem Ruf als Spezialistin für Verstörendes, grob Gehauenes, unter die Haut gehendes Liedgut alle Ehre. Als Künstlerin über 50 glaubt man eben nicht mehr an Gänseblümchen. Der nächste Song im Set heißt wie er hier klingt: "Real Live Bleeding Fingers and Broken Guitar Strings" - nach blutenden Fingern und gerissenen Gitarrensaiten.
Dabei beginnt alles ganz harmlos: Die erste CD eröffnet mit dem sehnsüchtigen "Ventura", ein Blick in die Ferne mit Doug Pettibones Lap-Guitar im zarten Duett mit Lucinda Williams ganz eigenwilliger Stimme, die Elvis Costello zu der Aussage inspirierte: "Diese Frau singt, wie Keith Richards Gitarre spielt." Todtraurig shufflet sich die Band - Taras Prodaniuk (Bass), Jim Christie (Drums, Keyboards) - danach durch ein weinerliches "Reason To Cry", verkriecht sich unter die (metaphorischen) schweren Bettdecken, unter denen sich einsame Mädchen in den Schlaf grämen ("Lonely Girls"). "Overtime", "Blue" - das sind diese typischen Lucinda Williams-Lieder, so schroff manchmal, so zärtlich traurig, so ergreifend. Solche, die nicht einmal an einem Lagerfeuer wirklich wärmen würden und denen man sich ganz anvertrauen muss, um in ihnen Trost zu finden. Eine Stimmung, die schnell in böse Wut umschlägt: "Ich habe das Schloss an der Tür ausgewechselt" keiftWilliams in "Changed The Locks". Aber sie klingt als wisse sie, dass sie eine tragische Heldin bleibt.
Fazit: "Live @ The Filmore": 22 höchst intensive Abrechnungen mit dem Leben in seiner ganzen Härte und Ungerechtigkeit mit der US-Alt.Country-Sängerin Lucinda Williams: Leicht macht sie es dem Hörer selten. Und sich selbst nie.
Label: Lost Highway (Universal) |
VÖ: 10. Mai 2005 |