Dass die schlaue Tochter des Dichters und Literaturprofessors Miller Williams aber schon vor "Car Wheels On A Gravel Road" Beachtliches leistete, macht der Re-Release ihres gleichnamigen, 1988 erschienen Albums deutlich. Sie hat das Album gemeinsam mit ihrer dreiköpfigen Band plus etlichen Gaststars (darunter Jim Lauderdale) in Los Angeles eingespielt. Das macht klar, dass sie auch schon in frühen Karrierejahren nicht Teil des Nashville-Establishments sein wollte.
Musikalisch aber gab sich Lucinda Williams Anno 1988 gefällig. Die zwölf Titel prägt ein extrem gelungener Mix aus Country und Folk. Aus Singer/Songwriter-Tradition und Alternative-Rock. Eine Mischung, die gleichermaßen eingängige wie inhaltlich anspruchsvolle Titel hervorbrachte. Man nehme nur den Opener "I Just Wanted to See You So Bad", ein flotter, moderat rockender, mit scheppernder Orgel aufgeladener Song mit betörend schöner Hookline. In dem im Zeitlupentempo angelegten, tieftraurigen "Abandoned" erinnert sie melodiös und auch gesanglich an Emmylou Harris - mit dem Unterschied, dass bei Williams ein Rock-Gitarrensolo für den musikalischen Kontrapunkt sorgt.
Obwohl Lucinda Williams in ihrer Musik eher spröde und mitunter auch verkopft wirkt, gelingen/gelangen ihr immer wieder überraschend unbeschwerte Song-Momente. Einer davon heißt "Big Red Sun Blues" - ein fröhlicher Midtempo-Track mit Tex-Mex-Stimmung und absolut nicht im Blues angesiedelt. Dafür aber mit Songzeilen wie "Look out that western sky, out over the open plains, God only knows why this all remains". Schön ...
Das gilt natürlich auch für "Like A Rose". Dieses frühe Meisterwerk der zierlichen Songschmiedin coverten nicht nur die Alternative-Countryrocker von den Silos, sondern auch Superstar Tom Petty. Allemal ein künstlerischer Ritterschlag. Eine weitere Coverversion bescherte Lucinda Williams aber sogar einen Grammy: "Passionate Kisses", hier zu hören im Original, nahm - wie Kenner wissen - auch Mary Chapin Carpenter auf. 1994 gab es dafür die höchste Auszeichnung der Musikindustrie.
Unter diesen vielen schönen, melodiös funkelnden Songperlen streut Lucinda Williams aber auch immer wieder ruppigere und weniger gefällige Titel ein. So wie die akustische, sparsam arrangierte Lagerfeuer- und Wildwest-Ballade "Am I Too Blue". Oder den deftig wütenden Harp- und Riff-Bluesrocker "Changed The Locks".
Auf der zweiten CD gibt es als Draufgabe einen bislang unveröffentlichten Live-Mitschnitt ihres 1989er Konzertes im holländischen Eindhoven. Und - als Bonus-Tracks - weitere sechs Live-Darbietungen aus einem Studio von einem Radiosender in Los Angeles. Ein informatives 20seitiges Booklet rundet diese Retrospektive ab.
Fazit: Lucinda Williams in frühen Karrieretagen - schlau, talentiert, abwechslungsreich. Schon damals wurde klar, dass die Dame für höhere Aufgaben bestimmt war.
Label: Lucinda Williams / Thirty Tigers (Alive) | VÖ: 14. Februar 2014 |
Titelliste CD 1
CD 2
01 | I Just Wanted to See You So Bad | 07 | Passionate Kisses |
02 | The Night's Too Long | 08 | Am I Too Blue |
03 | Abandoned | 09 | Crescent City |
04 | Big Red Sun Blues | 10 | Side of The Road |
05 | Like A Rose | 11 | Price to Pay |
06 | Changed The Locks | 12 | I Asked For Water (He Gave Me Gasoline) |
01 | I Just Wanted to See You So Bad (Live) | 11 | Passionate Kisses (Live) |
02 | Big Red Sun Blues (Live) | 12 | Changed The Locks (Live) |
03 | Am I Too Blue (Live) | 13 | Nothing In Rambling (Live) |
04 | Crescent City (Live) | 14 | Sundays (Live) |
05 | The Night's Too Long (Live) | 15 | Nothing In Rambling (Live) |
06 | Something About What Happens When We Talk (Live) | 16 | Disgusted (Live) |
07 | Factory Blues (Live) | 17 | Side of The Road (Live) |
08 | Happy Woman Blues (Live) | 18 | Goin' Back Home |
09 | Abandoned (Live) | 19 | Something About What Happens When We Talk (Live) |
10 | Wild And Blue (Live) | 20 | Sundays (Live) |