Die Mitt-Fünfzigerin aus dem US-Bundesstaat Maine hat in der Country-Hochburg Austin, Texas ihr aktuelles selbstbetiteltes und mittlerweile zehntes Studio-Album aufgenommen. Mit dem Ergebnis, dass nicht wirklich ein Country-Werk entstanden ist. Folk ist zu hören, Americana, Pop und Rock. Western-Klänge sind, wenn überhaupt, lediglich verhalten zu hören oder um es auf den (Vergleichs-)Punkt zu bringen: Joni Mitchell schimmert durch, Melissa Etheridge, gelegentlich gar Amy Winehouse. Und kaum noch, wie bei früheren Scheiben, die Lieblichkeit einer Emmylou Harris oder Dolly Parton.
Patty Griffin ist eine Art weiblicher Ausgabe von Johnny Cash
Ein Umstand, der dieser Platte einen ganz eigenen, zugegebener Maßen rauen Charme verleiht. Dräuend ist das Geschehen, knarzig, für eine Ewigkeit geschaffen, von der niemand weiß, wie diese letztlich aussehen wird. Patty Griffin ist eine Art weiblicher Ausgabe von Großmeister Johnny Cash, von derselben Grimmigkeit (im positivsten Sinne des Wortes) und Unnachgiebigkeit (ebenfalls positiv gemeint) gesteuert.
Unabhängig von diesem Beinahe-Stoizismus brodelt es bei der Grammy-Preisträgerin des Jahres 2015 unter der Oberfläche emotional gewaltig. Kein Wunder, musste sie sich in den letzten Jahren mit einer Brustkrebserkrankung auseinandersetzen, die ihr laut eigenen Angaben und verständlicher Weise "extrem schwer zu schaffen" machte. Doch Patty Griffin ist, ebenfalls Originalton, ein "harter Knochen". Folgerichtig besiegte sie das Übel. Was nicht zu bedeuten hat, dass sie es aus der Erinnerung verdrängte.
Das Unheil schwebt somit allerorten über den 13 Titeln von "Patty Griffin". Doch es erwürgt den Außenstehenden nicht. Stattdessen taucht er ein in Bestandsaufnahmen eines leidenschaftlichen Daseins. Einer Person, die durchaus mal mit ihrem Schicksal hadert. Aber sich stets am ureigenen Schopf aus dem Morast der Tristesse zieht.
Aufgenommen worden ist dieses Meisterstück von Patty Griffin selbst mit Langzeit-Kreativpartner Craig Ross, dazu gesellten sich Gitarrist David Pulkingham, Schlagzeuger sowie Percussionist Conrad Choucroun, Cellistin Lindsey Verroll und Pianist Stephen Barber. Nicht zu vergessen der alte Buddy - und bis vor kurzem Lebensgefährte - Robert Plant, mit dem sie in den vergangenen Jahren schon einige Kooperationen eingegangen ist. Er steuerte Backing-Vocals zu den Stücken "What Now" und "Coins" bei. Scheint, das Liebespaar von einst hat sich zumindest unter kreativem Aspekt wieder zusammengerauft.
Fazit: "Patty Griffin" ist ein Monolith von einem Album. Zeitlos geht es hier zu, spartanisch, bar jeden Trends. Und wohl deshalb ein Werk für die Unendlichkeit.