Der Opener "Last Call" erschien schon im Juni als Single - als erstes Lied nach dreijähriger Schaffenspause von Lee Ann Womack. So steht der Song für ihren Neuanfang und für das ganze Album. Zu zart gezupften Gitarren und melancholisch weinender Slide-Gituar singt Lee Ann Womack mit ihrer charismatischen Stimme diesen leicht melancholischen, aber dennoch nicht bedrückenden Song über eine verflossene und sinnlose Liebe. Geschrieben von Erin Enderline und Shane McAnally steht der Song für exzellenten Country.
Der nächste Track, "Either Way", nimmt das Tempo noch mehr raus. Als ruhiger, typisch "weinerischer" Country-Schmachter stellt er weitere Songautoren des Album vor, als da wären Chris Stapleton, Kendall Marvel und Tim James.
Und gerade wenn man denkt, es geht nicht noch ruhiger, kommt "Solitary Thinkin'" als dritter Song auf das Album: Eine Hammond-Orgel gibt mit leicht surrenden Akkorden das harmonische Grundgerüst, über dem einzig der ausdrucksstarke Gesang und einzelne staccato-Töne im Off-Beat dem Lied Form geben. Dieser Song ist so ruhig, dass er sich im Pub zu vorgerückter Stunde gut für Tanzmuffel eignen würde: bei diesem Lied muss man die Partnerin nur fest umschlungen halten und lediglich hin und wieder auf der Stelle treten.
Zum Glück setzt sich die Steigerung in die Langsamkeit nicht noch weiter fort. Mit "New Again" findet Lee Ann Womack zum Anfangstempo des ersten Songs zurück: immer noch laid-back, aber nicht zum Einschlafen. Es ist eine Herz-Schmerz-Ballade mit schmachtender Violin-Melodie, leichten Gitarrenakkorden und flotten Perkussions im Hintergrund.
Ähnlich - laid-back und trotzdem bewegt - ist auch der Rest des Albums: "I Found It In You" mit Ukulele und Rockgitarre, "Have You Seen That Girl" mit gezupften Gitarreakkorden in fast schon singer-songwriter-Manier, "I Think I Know" mit Banjo und Pedal Steel, "If These Walls Could Talk", "The King of Broken Hearts" und auch "The Story of My Life".
"The Bees" hat einen ganz eigenen Charakter, fast schon wie ein Hymnus: ein gleichmäßiger, fortschreitender Rhythmus, über den der erzählende Gesang gesetzt wird. Ein Gospel in guter Country-Manier, der im Refrain mit voller Band und mehrstimmigem Gesang dann doch noch etwas aufdreht.
Der Höhepunkt des Albums ist das Duett mit George Strait: "Everything But Quits". Dieser Song ist "ganz großes Kino": mit Klavier unterlegt und symphonisiert ist der Song leicht jazzig gehalten und könnte auch gut ein Kaffeehaussong sein, mit hin und wieder einer Fiddle, die den Song dann doch klar im Country ansiedelt. Hier stellen Lee Ann Womack und George Strait wieder unter Beweis, wie gut sie stimmlich miteinander harmonieren. Vielleicht bekommen sie für ihr Duett auch wieder - wie schon 2005 - einen CMA Award.
Fazit: Wie die Aufmachung - Retro-Bilder in poppigem Design - ist auch das neue Album von Lee Ann Womack: klassischer Country, der aber keinesfalls altbacken klingt. Durchweg eher ruhig gehalten, überzeugtsie durch ihren ausdrucksstarken Gesang. Lieder zum genießerischen Anhören, bei dem aber mindestens die große Zehe mitwippen muss.