Natürlich muss man den bärtigen Pfau der Countryszene nicht unbedingt von Herzen lieben. Dafür strahlt der bullige Sänger einfach um einen Tick zu viel Selbstbewusstsein und Selbstverliebtheit aus. Selbstzweifel scheinen Toby Keith jedenfalls so fremd wie Quantenphysik zu sein. Andererseits: genau das ist auch der Grund, warum der Mann auf eine so große und treue Fangemeinde zählen kann. Längst nicht nur in den USA, auch in Deutschland gibt es viele, viele Toby Keith-Fans, wie seine ausverkaufte Tournee Ende 2011 bewies.
Ein weiterer Grund für seine Beliebtheit ist auch seine Cleverness: Er weiß, was seine Fans von ihm wollen und erwarten - und er gibt es ihnen. Reichlich, kompromisslos. Das gilt auch für "Hope on the Rocks". Die zehn neuen Titel plus vier Bonus-Tracks (darunter die Live-Versionen von "Whiskey Girl" und "Get Out of My Car") bieten musikalisch und inhaltlich erneut eine Vollbedienung für Toby-Keith-Jünger.
Wie diese aussieht? Ein Mix aus gefühlvollen, hintergründigen, rockigen und - vor allem - harmlosen, gute Laune machenden, sofort zum Mitsingen anregenden Country-Rock-Songs. Ein Rezept, das zündet und in den Charts regelmäßig mit Spitzenplätzen aufgeht. "Hope on the Rocks" wird da keine Ausnahme machen. Dabei ist das Album wohl eines der persönlichsten Tonträger in Keiths langer Karriere. Immerhin war der kernige Sänger bei jedem einzelnen Titel als Autor oder zumindest als Co-Autor beteiligt. Und das ist genau auch der Umstand, der ihn von Kollegen unterscheidet, ihn authentisch macht und ihn als kreativen Musiker ausweist. Man nehme nur den Opener und Titeltrack. Eine melodiös gelungene Ballade, bei der sich Keith um Menschen Gedanken macht, die ohne Vorwarnung einfach mal verschwinden und nie wieder auftauchen. Inhaltlich ist der Track natürlich an Don Henleys "A New York Minute" angelehnt. Keith verpackt dieses düstere Thema in schmucken Country-Sound. Gelungen!
Das gilt auch für die nachfolgenden Tracks. Mal gibt er den tollen Hecht ("The Size I Wear"), mal erinnert er mit rabiaten Riffs an ZZ Top ("Scat Cat") und zwischendurch gibt es balladeske Songs der Marke "Raue Schale, weicher Kern" ("Haven’t Seen The Last of You"). Gleich mehrere Titel klingen wie eine unverblümte Mitsing-Aufforderung: "I Like Girls That Drink Beer" zum Beispiel knüpft nahtlos an "Red Solo Cup" an. Das rockigere "Get Got" schlägt in die gleiche Kerbe, genau wie der mit Klarinette und klimperndem Klavier ausgestattete Country-Swing von "Cold Beer Country". Seine Fans werden das alles lieben und mitsingen und auf sein Wohl trinken.
Mit dem sehr rockigen, ungeheuer druckvollem "Haven’t Had A Drink All Day" und dem traditionellen, leisen "You Ain’t Alone" steckt Toby Keith überdies sein musikalisches Terrain großzügig ab. Kurz: Ein Mann für alle Fälle, für alle Gefühls- und Lebenslagen. Die billig mit Drumcomputer tuckernden Remixe von "Red Solo Cup" und "Beers Ago" in der Bonus-Section braucht dagegen kein Mensch.
Fazit: Klar, der Typ hält sich für Superman. Aber Toby Keith legt auch immer wieder recht superbe Alben vor. "Hope On The Rocks" bildet da keine Ausnahme.