Nun ja, ein Typ wie Toby Keith ist ja längst frei von allen finanziellen Sorgen. Seine Alben verkaufen sich wie geschnitten Brot, seine Fast-Food-Kette wächst und wächst und auch sonst ist Toby Keith ein erfolgreicher Hans-Dampf in allen Medien- und Business-Gassen.
Jetzt also gewährt das patriotische Großmaul zum ersten Mal der deutschen Countrygemeinde eine Audienz. Auftakt der vier Termine umfassenden Tour: am 5. November im Münchner Kesselhaus. Kesselhaus? Selbst umtriebige Münchner Nachtmenschen und Konzertgänger ist diese Location nicht geläufig. Egal, Toby Keith hat mit seinem ziemlich umfangreichen Tross in das wenig reizvolle Industrie- und Messe-Viertel im Münchner Norden hingefunden. Auch seine Fans: Der etwas heruntergekommene Ziegelbau mit dem Charme einer ausrangierten Fabrikhalle ist rappelvoll. Grob geschätzt: 1.500 Zuschauer. Darunter: ältere Menschen mit imposanten Bierbauchen, die obligatorischen, etwas abseits sich bewegenden Line-Dancer (immer nur Mädels in Boots), aber- und das erstaunt- auch viel junges Stadtvolk. Die Hut-Quote fällt - auch erstaunlich - recht gering aus: runde 15 Prozent.
Nach einer soliden Leistung der schwedischen Countrysängerin Jill Johnson im Vorprogramm lässt sich Toby Keith aber erst einmal Zeit. Viel Zeit, rund 45 Minuten vergehen, bis der ehemalige Bullenreiter aus Oklahoma mit seiner elfköpfigen Band die Bühne stürmt. Dann aber ...
Man kann von Toby Keith halten was man will. Als Showman, als Entertainer, als Sänger und Frontman ist der bärtige Typ mit dem notorischen, etwas fiesen Grinsen im Gesicht eine Bank. Ein Vollprofi. Souverän führt er die Band von Song zu Song, von Country-Hit zu Country-Hit. Dabei versprüht der Multi-Millionär richtig Charme und bezieht auch das Publikum immer wieder mit ein. Vor allem bei seinem aktuellen Hit "Red Solo Cup", den er bereits ziemlich am Anfang der Show bringt. Er wundert sich, dass sich das Publikum als recht textsicher erweist und aus Bier-geschmierten Kehlen kräftig mitgrölt. "This song is only 14 days old, it's unbelieveable", freut er sich und ist ganz kurz sogar mal fassungslos, als seine Fans gar nicht mehr mit dem Singen aufhören wollen.
So viel steht fest: Toby Keith ist nicht als Tourist hierher gekommen. Er möchte mit dieser Tour neue Märkte erschließen. Deshalb hat er auch richtig Geld für die Produktion in die Hand genommen. Das Bühnenbild- mit Vintage-Lichtdeko ("Bar", "Open")- zielt auf sein aktuelles Album "Clancy's Tavern" ab, darüber sein, seinem Ego bestimmt annähernd gerecht werdender Namensschriftzug in XXL. Überhaupt: alles ist groß. Die Lichtshow, die Beschallungsanlage, die mit Bläsersatz, Chorsängerin, etlichen Gitarristen und so weiter üppig besetzte Band. Eine richtig große und wuchtige Inszenierung.
In der 90minütigen Show bietet Keith einen Streifzug durch seine zwanzigjährige Karriere. Songs von seinem ersten ("Wish I Didn't Know Now") und seinem aktuellen Album (u.a. "Red Solo Cup", "Clancy's Tavern", "Made in America"), zündende Rocker ("Should've Been A Cowboy", "Beer For My Horses"), modernen, mit Rap-Einlagen aufgeladenen Country-Rock ("I Wanna Talk About Me"), Songs mit Rhythm & Blues-Elementen, bei denen der Bläsersatz zeigen kann, was er drauf hat und sonnige Tex-Mex-Titel ("Cabo San Luca"). Die Band ist erstklassig besetzt, die Arrangements teilweise kunst- und phantasievoll angelegt- und rund und reibungslos umgesetzt. Keine Frage, das ist, wie es so schön heißt, großes Kino. Vielleicht sogar um einen Tick zu groß. Auch deshalb, weil die Setlist gegen Ende der Show immer härter und rockiger ausfällt. Und damit- eine Untugend amerikanischer Ton-Kutscher- zwangsweise auch immer lauter und lauter wird. Deshalb freut man sich über etwas dezentere Titel wie "I Love This Bar" oder, das akustische, nur mit seinem Gitarristen angestimmte "I Never Smoke Weed With Willie Again".
Seinen überbordenden Patriotismus lebt Keith bei dieser Tour übrigens nicht aus. Titel wie das ohnehin eher dezente "American Ride" bilden die Ausnahme; auf das übliche Sternenbanner-Geschwenke verzichtet er gänzlich. Nach rund eineinhalb Stunden verabschiedet er sich mit einer Zugabe: "A Little Less Talk And A Lot More Action". Starkes Finale, und doch, doch, das Kesselhaus war schon die richtige Location. Toby Keith & Co. ließen es schließlich richtig Kesseln.