Ein frisches Gesicht mit heftigem Background. Immerhin war (bzw. ist) Lewis seit Mitte der 90er Jahre Sänger und Frontman der Post-Punk/Rock/Alternative-Metal-Band Staind. Dass die musikalische Metamorphose funktioniert, belegte bereits die 2011 erschienene Hit-EP "Town Line", bei der die Veteranen George Jones und Charlie Daniels mitwirkten. Mit "The Road" präsentiert der stoppelbärtige Käppi-Träger jetzt sein erstes offizielles Solo-Album: zehn erdige, bis auf eine Ausnahme selbst komponierte Tracks, die mehr Country-Flair verströmen als die meisten aktuellen Nashville-Produktionen. Doch der Reihe nach ...
Vom "Staind" Alternative-Rocker zur Country Music
Ist ja oft so: Quereinsteiger befassen sich häufig intensiver und sorgfältiger mit der neuen Stilrichtung als alte Genre-Hasen. Das gilt auch für Aaron Lewis. Wohl auch, weil er sich mit Staind sein bisher ganzes Musikerleben als Rocker verwirklichen konnte, muss er jetzt nicht mehr laut sein. Im Gegenteil. Er schaltet genüsslich um zwei, drei Gänge zurück, lässt akustischen Melodien Raum und vertraut ganz auf die Schönheit und Schlichtheit von simplen Melodien, Worten und Rhythmen.
So holpert das von Altmeister James Stroud (und Aaron Lewis) produzierte Album mit "75" gleich mal im super gemütlichen 6/8-Takt los. Mehr old-fashioned geht eigentlich nicht. Auch weil der staubige Country-Rocker in ein abgehangenes Arrangement verpackt ist und statt harter Gitarren-Riffs auf eine schnurrende Orgel setzt. Ja, das macht Laune - und Lust auf mehr.
Aaron Lewis setzt bei seinem Debüt-Album ganz klar auf sparsam eingesetzte Dynamik. Der nächste Song und Titeltrack nimmt mit einer perlenden Slide-Gitarre Fahrt auf, das anschließende "Endless Summer" klingt wie der Titel verspricht - eine musikalische Frohnatur, aber auch ohne jeden Tiefgang. Kurz: ideales Radiofutter mit ausgeprägtem Hit-Potential.
Viel cooler fallen dennoch die meisten anderen Titel der von Nashvilles-A-Team - Bayers, Mason, Franklin & Co. - eingespielten CD aus. Das gilt sogar auch für die diversen, im Drei-Vierteltakt gehaltenen Songs, wie dem rockigen "Red, White & Blue" und dem finalen "Party In Hell". Bei letzterem Song erinnert er nicht nur vom Titel her an Spaßvogel Brad Paisley. Auch musikalisch knüpft er an den smarten Country-Star an. So gelingt es ihm scheinbar mühelos, einen im Opi-und-Omi-Tempo angelegten Walzer ultralässig erscheinen zu lassen. Eine Leistung, die das große Country-Potential des ehemaligen Schwermetallers bestens unter Beweis stellt.
Fazit: Musikalische Metamorphose gelungen: der Rocker gibt überzeugend den Countrymusiker. Ein absolut klasse Einstand in die Nashville-Gemeinde.
Label: Blaster (in Deutschland nicht veröffentlicht) | VÖ: 13. November 2012 |
01 | 75 |
02 | The Road |
03 | Endless Summer |
04 | Red, White & Blue |
05 | Lessons Learned |
06 | Forever |
07 | Granddaddy's Gun |
08 | State Lines |
09 | Anywhere But Here |
10 | Party in Hell |