Ähnlich wie sein noch um ein paar Lenze älterer Kollege George Strait steht auch Toby Keith wie ein Fels in der Moden-und-Hype-Brandung Nashvilles. Der 1961 in Clinton, Oklahoma geborene, 1,90 Meter große, bullige, bärtige Sänger und Songschreiber hat längst seinen Trademark-Sound entwickelt. Ein Klanggebräu, das aus dezent rockenden, meist traditionell verankerten, nicht selten patriotisch gefärbten Zutaten besteht - und seine kraftvoll bärige Stimme im Zentrum sieht.
Geschickt jongliert der Gelegenheits-Schauspieler mit seinem Redneck-Image. Dabei ist er, wie es heißt, ein überzeugter Demokrat, der sich auch für Rechte von Randgruppen einsetzt. Egal, er polarisiert. Und das ist allemal besser, als ein langweiliges Wischi-Waschi-Image.
Seine Plattenfirma kündigt sein 18. Album mit einem "zurück zu ernsten Songs" an. Doch schon der Opener lässt einen daran zweifeln. Immerhin heißt der von Brancy Clark, Bob DiPiero und Shane McAnally geschriebene Track "Drunk Americans" - das lässt spontan an einen üblichen Drinking-Song denken. Doch: Fehlanzeige! In dem im Dreiviertel-Takt gehaltenen, im Refrain an Billy Joels Klassiker "Piano Man" erinnernden Song beleuchtet Keith auch die etwas dunklere Seite des Alkoholmissbrauchs. Die soll's ja geben...
Nach dem gelungenen Auftakt holt einen ein flotter Rocker schnurstracks aus der bierseligen Stimmung: "Good Gets Here" erinnert mit bluesigem Arrangement und vielhörnigem Gebläse - hört man mittlerweile selten im Country - an die 80er-Jahre-Erfolge von Huey Lewis & The News. Leider aber kann die Keith/Bobby Pinson-Komposition nicht mit den einst zwingenden Huey-Lewis-Melodien mithalten und fällt so, trotz gut gemeinten Anachronismus, durch die Zeit. Ein unnötiger Track.
Was man aber von den restlichen acht Titeln nicht mehr sagen kann. Schon der nachfolgende Titeltrack, wieder aus der Feder von Keith/Pinson, wartet mit nostalgischen, balladesken Tönen auf. Und mit ziemlich pessimistischem Text. Motto: früher war alles besser: Die Kids wachsen mit Drogen und ohne Glaube auf, verwahrlosen. "Oh, we can't blame our babies, for growin' up lazy and crazy." Na ja, er wird seinem erzkonservativem Image mal wieder gerecht.
Toby Keith am besten mit seinen Balladen
Seine besten Momente hat Toby Keith, wieder einmal, in den ruhigen Songs, in den Balladen. Während er in dem sehr auf Mainstream gebürsteten Country-Pop-Titel "What She Left Behind" noch zu viel Ballast um sich herum anhäuft, läuft er in - wieder ein Drinkin'-Song - "Every Time I Drink I Fall In Love" zur Höchstform auf. Natürlich darf auch bei dieser CD ein Song mit Karibik-Flair nicht fehlen. Keith bietet hier gleich zwei davon: das - schon wieder ein Drinkin‘-Song - "Rum Is The Reason" und ein Duett mit dem Großmeister des Nichtstuns, des Biersaufens, des In-der-Karibik-Schipperns, mit Mr. Jimmy Buffett. Für die Zusammenarbeit bei der weiteren Keith/Pinson-Komposition "Sailboat For Sale" musste er den weltbesten Müßiggänger bestimmt nicht lange überreden.
Trotzdem: Der beste Song ist erneut ganz im Country verhaftet - die freilich etwas rührselige Rückbesinnung von "Haggard, Hank & Her". Hier erinnert sich Toby Keith an die goldenen Zeiten, als es in den Bars noch Jukeboxen gab und damit Songs der großen Country-Legenden. Ach ja, wieder ein Drinkin'-Song.
Fazit: Ein gutes Toby Keith-Album, nur zwei Ausrutscher ins Rhythm & Blues-Fach und so manche textliche Wehleidigkeit stören das Hörvergnügen. Mit zehn Titeln ist "35 mph Town" auch spärlich bestückt. Das gibt nochmals einen halben Punkt Abzug.