Touren war im letzten Jahr nicht. Nicht für Toby Keith, nicht für irgendjemand anderen. Was macht da ein Musiker, wenn er den Beruf mit Haut und Haar lebt? Na klar, er (oder sie) lässt sich Melodien und Texte einfallen und schreibt Songs. Gitarren und Recording-Equipment mussten ja nicht in Quarantäne. Für manch' Kreativen war die tourlose Zeit deshalb alles andere als vergeudet. Sie erwies sich mitunter sogar als extrem fruchtbar. Beispielsweise auch für Toby Keith.
"In meiner ganzen Musikkarriere gab es nie eine Zeit, in der ich so lange keine Konzertbühne betreten habe", sagt Toby Keith. Deshalb sei das Jahr 2020 für ihn so gewesen, als ober er eine Reset-Taste gedrückt hätte. Reset. Das klingt gut. Da schwingt einiges mit, wie: Rückbesinnung, zur Ruhe kommen, sich auf das Wesentliche konzentrieren. Das alles und noch einiges mehr zeichnet jetzt auch sein neues Album "Peso in My Pocket" aus: zehn Song, zehn Mal Toby Keith, wie er leibt, lebt und singt.
Mexikanische Affäre: "Peso in my Pocket"
Zu der Comeback-Geschichte - "Peso in my Pocket" ist sein erstes Studio-Album seit über fünf Jahren - gehört noch ein weiteres Detail. Der wuchtige Country-Klops hat sich während der ersten Krisen-Monate in sein Haus in Mexiko verzogen, wo er in aller Ruhe an neuem Material arbeiten konnte. Es sei wie "auf dem Mond" gewesen, verrät er. Meint damit aber wohl eher die Ruhe und Abgeschiedenheit, denn nach einsamer Isolation klingen die zehn Tracks seiner neuen CD wahrlich nicht. Im Gegenteil. Da schimmert in den Melodien und Harmonie-Verbindungen schon eher die sonnendurchflutete Aura von Mexiko durch - in Songs, die für gute Laune sorgen und das Herz erwärmen.
Angeblich hat sich Toby Keith vor den Aufnahmen zu "Peso in My Pocket" durch die Sprachnotizen seines Handys durchgewühlt, auf dem sich zahllose Song-Ideen fanden. Nur kleine Schnipsel einer Melodie oder einer Text-Idee. Mehr braucht es ja oft auch nicht, um für die Initialzündung eines Tracks zu sorgen. Jedenfalls hat er das Potential dieser klanglichen Notizen erkannt und sich - so wie sich das für einen rechtschaffenen Musiker gehört - an die Arbeit gemacht.
Nicht völlig alleine, versteht sich. So waren beim kreativen Prozess von "Peso in my Pocket" einige der feinsten Songwriter-Federn Nashvilles beteiligt: die Warren-Brüder, Ryan Hurd, Maren Morris, Brett Tyler, Jesse Jo Dillon und - man höre und staune - in der nachdenklich rockenden Coming-of-Age-Story "Growing Up Is A Bitch" der ehemalige Van Halen-Sänger Sammy Hagar. Eine Überraschung stellt auch die Cover-Version des nicht mehr ganz taufrischen Keb' Mo'-Songs "Old Me Better" dar, bei der Keb' Mo' als Duett-Partner mitmischt - und so bilden die zwei eines der herzigsten und originellsten Paarläufe im Country der letzten Jahre. Der launige, gegen Ende funky Blues-Track mit New Orleans-Tuba-Touch gehört, so viel vorab, zu den Glanzlichtern der CD: Knapp vier Minuten köstlich ironische Selbstreflexion.
"Peso in my Pocket": gelungenes Toby Keith-Comeback
Dass Toby Keith nicht der ultra-reaktionäre Redneck ist, wie er immer wieder beschrieben wird, zeigt sich auf "Peso in My Pocket" in mehreren Songs. Beispielsweise in dem sensiblen, von Songwriter-Legende John Prine und John Mellencamp verfassten "Take a Look at my Heart", das Keith in seiner Version mit etwas mehr Rock- und Southern-Rock-Würze ausstattet. Sehr gelungen, sehr überzeugend! Ein Song, der inhaltlich Verletzlichkeit zeigt, diese aber mit sattem Country-Rock kaschiert. Für den Opener hat sich der in diesem Jahr 60 gewordene Veteran mit "Oklahoma Breakdown" einen eher unkonventionellen und auch etwas aus dem restlichen Sound der CD ausscherenden Song ausgesucht. Der Track gibt sich in den Strophen sperrig, der Refrain versprüht gefälligen Charme und ein feuriges Slide-Gitarren-Solo setzt ein virtuoses Highlight. Je öfter man den Opener hört, desto besser geht er ins Ohr.
Die weiteren Titel von "Peso in my Pocket" brauchen indes keine Eingewöhnungszeit. Weder der flotte, im Zwei-Viertel-Takt angelegte Country-Rocker "Thunderbird", noch der Titeltrack und auch nicht das eigentlich überhaupt nicht düstere "Days I Shoulda Die". Alle bieten sie Country-Klänge der Premium-Qualität. Das gilt auch für "Old School". Obwohl in Versal geschrieben, flirtet Keith auf diesem hitverdächtigen Titel am meisten mit modernen und angesagten Klängen und Arrangements. Ein hipper Track, der auch bei Thomas Rhett-Fans auf Zuspruch hoffen darf. Für die ganz und gar im Retro-Outfit angelegte Säufer-Ballade "She's Drinkin' Again" gilt das freilich nicht, denn hier ist pure Country-Tradition angesagt. Mit dem nachdenklichen und gar nicht mal so euphorisch fahnenschwenkenden "Happy Birthday America" beschließt Toby Keith sein neues Album.
Fazit: Nach fünfjähriger CD-Pause gelingt Toby Keith mit "Peso in my Pocket" ein prima Comeback: schnörkellose Songs, mal rockig, mal nachdenklich und häufig herzerfrischend heiter. Toby Keith in Bestform.