Alan Jackson - Thirty Miles West

Und - wo Country draufsteht ist auch viel Country drin. Zumindest bei Alan Jackson. Das zeigt sich schon beim Opener "Gonna Come Back As a Country Song". Auch wenn das Honkytonk-Stück nicht aus Jacksons Feder-, sondern von Chris Stapelton und Terry McBride stammt, nimmt man Jackson den Inhalt sofort ab. Jackson - die personifizierte Glaubwürdigkeit des Country - kehrt eines Tages zurück in Form eines Country-Songs - es gibt sicher schlimmeres, oder? Linedancer werden an dem Stück genau so viel Freude haben, wie die Menschen, die in der Bar einfach nur an der Theke sitzen und zeitlos gute Songs hören wollen.
 
Hitverdächtig ist auch das erfreuliche "You Go Your Way", das zugleich schon die Grundausrichtung der Platte deutlich macht. Denn insgesamt lässt es Jackson im Vergleich zum Vorgänger "Freight Train" wieder etwas flotter angehen. Einfache und bodenständige Mid-Tempo Titel wie "Talk Is Cheap" oder swingende Up-Tempo Nummern á la "Life Keeps Bringin' Me Down" beweisen dies. Die Lockerheit der Songs bringt der 53-Jährige mit seiner Stimme stets passend rüber und so klingt der Mann aus Georgia zu keinem Zeitpunkt der gut 52 Minuten angestrengt.

Gut aufgelegt ist Jackson, was auch beim Konsumenten ankommt. So ist "Her Life's a Song" eine süße, kleine Geschichte über ein Mädel, die Erlebnisse aus ihrem Leben mit Hilfe der Songs auf ihrem iPod verbindet, auf dem sich natürlich auch Country-Stücke finden. Ein mindestens genau so heißer Anwärter für eine Singleauskoppelung und die Umsetzung in einem Videoclip ist die humorvolle Empfehlung "Look Her In The Eyes And Lie". Keine Frage, diese neo-traditionellen Songs sind mit unüberhörbarem und zugleich unaufdringlichem Fiddle- und Steel-Guitar-Einsatz sind einmal mehr Musterbeispiele des Contemporary Country.

Da überrascht es wenig, dass der Trinkersong der CD ebenfalls klassisch-fröhlich gestimmt daherkommt. Dazu hat man bei "Long Way to Go" jede Sekunde den Eindruck, dass Jimmy Buffet plötzlich mit einer Margarita um die Ecke kommt. Also genau der Mann, mit dem Jackson schon den Hit "It's Five O' Clock Somewhere" aufgenommen hat. Auch wenn Buffet diesmal zu Hause bleibt - Urlaubsfeeling und gute Laune bringt Jackson auch ohne fremde Hilfe problemlos mit.

Auch wenn erfreulicherweise flotteres Material dominiert, steuert Alan Jackson zwischendurch ein paar ruhigere Titel bei. Die akustische Liebes-Ballade "Everything But The Wings" geht dabei ähnlich zu Herzen wie vor einigen Jahren "Remember When". Im Mittepunkt steht Jacksons Gattin Denise nicht nur hier, sondern ebenso im thematisch eindringlichsten Song der Platte. Beim emotional und packend vorgetragenen "When I Saw You Leaving (For Nisey)" geht es um Jacksons Gedanken, als bei seiner Ehefrau Krebs diagnostiziert wurde. 

Der Knaller der CD ist allerdings im Uptempo-Bereich daheim. Beim über 7 Minuten langen "Dixie Highway" - einem historischen Highway zwischen Chicago und Miami - wirkt auch Zac Brown mit. Herausgekommen ist ein energiegeladenes Prachtstück aus dem Spannungsfeld zwischen Country und Southernrock mit einer kleinen Prise Gospel. Jackson hat im Gegensatz zum ersten gemeinsamen Projekt mit Zac Brown ("As She's Walking Away") diesmal mindestens genau so viele Gesangsanteile wie sein Partner. Während es den Anschein hat, dass sich beide bei ihren Sangesleistungen in jeder Strophe noch ein wenig steigern und euphorischer werden, sorgen nach jedem Chorus herrliche Solo-Einlagen von Gitarre, Banjo oder Fiddle für ein besonderes Musik-Ereignis. Die Gitarren-Front mit Brent Mason und JT Corenflos scheint extra ein paar Stunden Unterricht bei Lynyrd Skynyrd-Saitenmann Gary Rossington genommen zu haben, so perfekt klingt ihre Arbeit. Grandios!

Fazit: Alan Jackson hat wieder eine "Good Time" und beschert pünktlich zum Sommer den ultimativen Soundtrack für die warme Jahreszeit. Ganz nebenbei dürfte "Thirty Miles West" nicht nur für seine zahlreichen Anhänger ein ganz heißer Anwärter für das Album des Jahres sein.