Apropos "Zeit". Schon rein optisch knüpft Alan Jackson an seine ganz frühen Karrieretage an: Stetson, Jeanshemd, grausige stonewashed Jeans mit Löchern. So ähnlich zeigte er sich auch bei seinem Erstling "Here In The Real World" - und so posiert er auch rund 20 Jahre später auf dem Cover. Doch auch akustisch geht es in einigen Titeln zurück zu seinen Wurzeln. So würden sich beispielsweise das finale "The Best Keeps Getting Better", "True Love is a Golden Ring" und "That's Where I Belong" mit ihren harmlos netten, sonnigen Melodien perfekt auf seinem Debüt machen. Nur: seine Stimme hat heute mehr Umfang. Gegerbt vom Leben besitzt sie nicht nur mehr Tiefe, sondern auch mehr Tiefgang.
Deshalb klingt Alan Jackson heute glaubwürdiger und besser denn je, wenn er sich an Songs macht, die nicht vom Bierchen mit den Kumpels oder von einem fahrbaren Untersatz handeln. Und davon gibt es auf "Freight Train" eine ganze Reihe. Alan Jackson hat aber nicht nur als Interpret an Format gewonnen, auch als Songschreiber hat er deutlich zugelegt. Deshalb ist es alles andere als ein Nachteil, dass er für sieben von zwölf Tracks verantwortlich ist. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, gibt er den einsamen Wolf und schreibt seine Titel im Alleingang (lediglich "True Love is a Golden Ring" entstand gemeinsam mit Roger Murrah).
Jackson-Songs sind schöne, unspektakuläre, grundsolide Countrysongs, die einen Blick in sein Innenleben erlauben. So berichtet er sehr anschaulich, wie er sich fühlt, seiner Tochter beim Erwachsenwerden zuzuschauen ("After 17"). Er ist kein Lyle Lovett, der mit Metaphern und Bildern um sich wirft. Er spricht eine einfache, klare, unverstellte Sprache - die umso mehr zu Herzen geht. Vor allem, wenn er - ohnehin seine Domäne - romantische und introvertierte Töne anschlägt. "Every Now And Then", eine wundervolle Folk-Inspirierte Ballade, gehört genauso zu den Glanzlichtern wie die Ode an den harten Arbeiter ("Hard Hat And A Hammer"). Dass Jackson mit seinen Gitarrenkünsten eher limitiert ist und deshalb recht simple Harmonien entwirft, stört nicht. Wird aber offenkundig, wenn zwischendrin Titel aus fremder Feder für harmonische Aha-Erlebnisse sorgen. "It's Just That Way" ist so ein Fall. Vicky McGhee, Kylie Sackley und Produzent Keith Stegall sorgen hier für einen herrlich überraschenden Refrain - und für das Salz in der Hausmannskost-Suppe.
Auch wenn die ruhigen Titel überwiegen, drückt Jackson ab und an auf die Tube. Vor allem beim sehr flotten Titeltrack und bei "I Could Get Used To This Lovin' Thing". Hier dürfen seine angestammten Begleiter um Drummer Eddie Bayers und Gitarrist Brent Mason zeigen, was sie drauf haben.
Für ein spätes Glanzlicht der CD sorgt schließlich das einzige Duett des Albums: "Till The End". Bei der von Cathy Gosdin geschriebenen Ballade teilt sich der blonde Barde das Mikro mit Lee Ann Womack. Keine Frage, ein echtes Country-Traumpaar.
Fazit: Ein schönes, ausgewogenes und fast schon spektakulär unspektakuläres Album mit einem immer besser werdenden Sänger. Eine CD von zeitloser Qualität, wieder exzellent produziert von Keith Stegall.
Label: Arista Nashville (Sony) | VÖ: 2. April 2010 |
Titelliste CD
Links
01 | Hard Hat And A Hammer | 07 | I Could Get Used To This Lovin' Thing |
02 | Every Now And Then | 08 | Till The End (mit Lee Ann Womack) |
03 | After | 09 | That's Where I Belong |
04 | It's Just That Way | 10 | Big Green Eyes |
05 | Freight Train | 11 | True Love Is A Golden Ring |
06 | Taillights Blue | 12 | The Best Keeps Getting Better |
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