Aber auch eine CD, die trotz spiritueller Note, pathetischer Momente und leidenschaftlich gepredigter Message auch bestens unterhält und Laune macht. So streut Marty Stuart, der das Album gemeinsam mit John Carter Cash produzierte, zwischen den vielen düsteren, eindringlichen Balladen immer wieder auch kernige Country-Rocksongs ein. Manche Songs machen dann sogar gute Laune - vorausgesetzt, man achtet nicht allzu genau auf den Text. Hört man aber genauer auf die von Marty Stuart emotional vorgetragenen Zeilen, ist man betroffen. Wen wundert's, schließlich erzählt Marty - in dessen Venen selbst Indianerblut fließt - bei dieser Konzept-CD keine Stories über Liebesleid, Pickups oder Margaritas. Vielmehr beleuchtet der 1958 in Philadelphia geborene Sänger, Gitarrist und Songschreiber ein wirklich dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte.
Wie ernst es Marty Stuart mit "Badlands - Ballads of the Lakota" ist, wird auch durch den eines gewissen John L. Smith verfassten Booklet-Textes klar. Der Mann scheint Historiker oder dergleichen zu sein. Er sorgte für die historischen Fakten und gab damit offenbar entscheidende Denkanstöße für die 13 Songs. Zwölf davon gehen auf das Konto von Marty Stuart, "Big Foot" steuerte Co-Produzent John Carter Cash bei. In diesen Linernotes schreibt also dieser John L. Smith u.a. davon, wie er gemeinsam mit Marty Stuart am Wounded Knee war, wie sie sich vor einem Denkmal stehend wortlos das Gemetzel von 1890 vor Augen hielten; ein Gemetzel, bei dem Tausende von Indianer - Männer, Frauen, Kinder - wahllos abgeschlachtet wurden. "Und wenn du genau dem immerzu heulenden Wind Dakotas zuhörst", schreibt er, "hörst du vielleicht auch die Schreie und die Gewehrschüsse." Das geht unter die Haut. Genau wie die Musik.
Meist überwiegen leise, akustische, folk-orientierte Töne wie bei "Trip To Little Big Horn" oder "Wounded Knee". Des öfteren krempeln Stuart und Mannen - darunter Drummer Harry Stinson, Gitarrist Kenny Vaughan und Steel-Gitarrist Robby Turner - aber auch die Ärmel hoch um die E-Gitarre auszupacken. Wie bei dem Grunge-Epos "So You Want To Be An Indian" oder bei "Broken Promise Land". Ein Song, in dem sich Stuart - Pardon - richtiggehend auskotzt über die systematische, jahrhundertelange Verarschung der indianischen Ureinwohner. Noch besser, weil plastischer und für jeden der jemals beispielsweise in Nevada war auch nachvollziehbar, fällt sogar noch "Casino" aus. Eine schonungslose Abrechnung nach dem Motto: Gebt den Rothäuten Whiskey und Spielhöllen, und sie rotten sich selbst aus.
Das mag eindimensional sein. Vielleicht auch um eine Spur zu plakativ. Dennoch gelingt es Marty Stuart mit dieser CD eine seit etlichen Jahrzehnten überfällige Geschichtsstunde. Er rüttelt wach, sensibilisert. Wer ihm etwa bei "Walking Through The Prayers" zuhört, ein düsteres, nur spartanisch instrumentiertes Hörspiel, will unweigerlich mehr über Wounded Knee, über General Custer, Big Foot, Sitting Bull erfahren. Und das nicht nur aus Hollywood-Western. Mit dem hymnischen, Geigen-verzierten "Listen to the Children" klingt die CD immerhin noch versöhnlich aus.
Fazit: Marty Stuart auf Kriegspfad: Eine 13teilige Geschichtsstunde über die Ureinwohner Amerikas, in mal sensible Folk-, mal in beherzte Rock-Klänge verpackt. Mutig!
Label: Superlatone / Universal South (Universal) | VÖ: 8. November 2005 |
Titelliste
Links
01 | Everette Helper's Song | 08 | Broken Promise Land |
02 | Badlands | 09 | Casino |
03 | Trip to Little Big Horn | 10 | So You Want to Be an Indian |
04 | Old Man's Vision | 11 | Walking Through the Prayers |
05 | Wounded Knee | 12 | Three Chiefs |
06 | Big Foot | 13 | Listen to the Children |
07 | Hotchkiss Gunner's Lament |