Um so ganz diese (leider nur) zehn Titel verstehen und einordnen zu können, sollte man am besten die umfangreichen Liner-Notes von Marty Stuart lesen. Auf sechs Seiten plaudert er - nahezu genauso virtuos wie er singt und spielt - über seine Anfänge in Nashville. Wie er als 13jähriger mitten in der Nacht mit dem Greyhound-Bus aus Mississippi ankam, was er empfand als er das Ryman Auditorium sah, wie er bei Lester Flatt unterkam, bei Doc Watson und Johnny Cash spielte - und wie ihn Erfolge auch mal aus der Bahn warfen. Sein Credo ist auch eine Zustandsbeschreibung des heutigen Nashville: "The main musical difference that I see in now and when I first came to Nashville is, back then it seemed that the most outlaw thing you could possibly do around here was to take country music and blow it up into rock & roll. Mission accomplished! Today the most outlaw thing you can possibly do in Nashville, Tennessee is play country music." Alles klar?
Nun, nach dieser Beschreibung ist Marty Stuart ein absoluter Outlaw. Ein Rebell, wie es Waylon, Willie und Johnny waren. Mit "Nashville, Volume 1: Tear The Woodpile Down" reiht er sich - keine Übertreibung - spätestens jetzt in diese Ikonen-Riege ein. Warum? Weil jeder einzelne der zehn Tracks nach all dem klingt, was gute Country Music ausmacht: völlige Begeisterung, Hingabe, Ehrlichkeit, exzellentes Handwerk, Songs mit Tiefgang und Inhalt, Songs die gute Laune machen oder einen nachdenklich stimmen können. Alles da, alles vom Feinsten.
Schon der Opener "Tear The Woodpile Down" (mit Buck Trent) rattert im ICE-Tempo aus den Boxen, dass es einem warm ums Herz wird. Country plus Rockabilly plus Gospel. Und: plus Kenny Vaughan, einem der garantiert besten Gitarristen der Szene. Überhaupt sind die Fabulous Superlatives an jedem Instrument einfach nur großartig besetzt. Sie bilden den Rückhalt, das Rückgrat für den leidenschaftlichen Gesang von Marty Stuart.
Mit diesem Outfit trimmen sie traditionellen Country und Roots-Musik zu einem aktuellen, letztlich aber zeitlosen Hörerlebnis. "Sundown in Nashville" und "Holding On to Nothing" haben das Zeug zum Klassiker der Country-Literatur, Balladen wie "A Matter of Time" (mit Kenny Lovelace) und "Going, Going, Gone" rühren den härtesten Cowboy zu Tränen und Titel wie das unglaublich schnelle, trotzdem punktgenau präzise "Hollywood Boogie" setzen neue Virtuositäts-Standards. Ein Album wie aus einem Guss - bei dem nur das balladeske, entfernt an Bruce Springsteen erinnernde "The Lonely Kind" für einen stilistischen Ausfallschritt sorgt.
Die akustische Version des Hank-Klassikers "Picture From Life's Other Side" - Hank III als Stargast - sorgt für das bewegende Finale.
Fazit: Wer wissen möchte, was Country ausmacht, sollte hier reinhören. Nie war Marty Stuart besser. Natürlich: volle Punktzahl!
Label: Superlatone / Sugar Hill (EMI) | VÖ: 20. April 2012 |
Titelliste
01 | Tear the Woodpile Down (mit Buck Trent) | 06 | Truck Driver's Blues |
02 | Sundown in Nashville | 07 | Going, Going, Gone |
03 | A Matter of Time (mit Kenny Lovelace) | 08 | The Lonely Kind |
04 | Hollywood Boogie | 09 | A Song of Sadness (mit Lorrie Carter Bennett) |
05 | Holding on to Nothing (mit Buck Trent) | 10 | Picture from Life's Other Side (mit Hank III) |