Und was will Brad Paisley mehr? Offenbar sucht er, kann man verstehen, neue Herausforderungen. Für sein neues Album "Wheelhouse" trennte er sich von Langzeit-Produzent Frank Rogers, er übernahm den Job dieses Mal höchstselbst. Mehr noch: Für die Aufnahmen, so steht es im Booklet, hat er sich mit sechs Musiker-Freunden auf einem alten Bauernhof zurückgezogen: Der Kreativität freien Lauf lassen. Ganz ungestört. Nur er, seine treuen Musik-Spießgesellen, seine Gitarre und seine Unmenge an Talent und Phantasie. Muss was richtig Tolles werden, oder?
Nun ja, für Brad Paisley war und ist es wahrscheinlich richtig megatoll. Man hört und spürt das irgendwie im Verlauf der mit 17 Tracks üppig bestückten CD. Für den Musikkonsumenten - hier die subjektive Meinung - hält sich der Lustgewinn beim Hören allerdings etwas in Grenzen. Warum? Weil es einfach etwas zu viel des Guten, des Originellen und der Finessen ist: Hier ein Joke, da ein kurzes, verflixtes Gitarrenlick, hier ein Kinderchor, da eine hörspielmäßige Collage. Auf der Strecke bleiben dabei: die einfache Melodie, das unter die Haut gehende Gefühl. Rein subjektiv natürlich ...
Nach einem kurzen Hörspiel-Intro ("Bon Voyage") startet das Album mit "Southern Comfort Zone" richtig durch: Das noch verhaltene Intro lässt schon das Große, das da noch kommen wird, erahnen. Und richtig. Es dauert nicht lange, da schwappt der Refrain wie ein Tsunami aus den Boxen: Drums im Stadion-Format, ein vielstimmiger Chor, perlende Gitarrenlinien und darüber die coole Stimme von Meister Paisley. Er singt von Tennessee, wie ihm das einfache Landleben als Jet-Setter dann doch abgeht. Er verpackt das rustikale Gefühl aber in (vielleicht ironisch gemeinte) pathetische Rock-Klänge. U2 mit Fingerpicking-Gitarre. Zum Outro kommt dann wieder eine Hörspiel-Einlage. Damit es ja nicht langweilig wird...
Wird es doch nie bei ihm. Schon gar nicht, wenn die heiße Jahreszeit kommt. Mit "Beat This Summer" hat der schon mal den Soundtrack für den kommenden Sommer im Holster. Nett, hübsche Melodie, witzige Einfälle, viel Pop, wenig Country. Beim Solo übertreibt er. Gleich drauf ein Party-Song: "Outstanding In Our Field". Auch OK. Vor allem die Pedal-Steel-Guitar. Beim Herren-Chor machen Dierks Bentley und Roger Miller mit, Hunter Hayes spielt Gitarre.
Die nächsten Titel schlagen in die gleiche Sound-Kerbe. Songs wie das harmlose Pop-Lied "Pressing On A Bruise" oder "Karate" (plus Charlie Daniels und Sheryl Crow) mit seinen Country-Pop-Rock-Klängen und dem Chor und der Fiddle. Paisleys sprühender Witz deutet sich häufig schon in Songtiteln an: "The Mona Lisa" oder "Officially Alive" - das sind keine Nummern, wie man sie in Nashville jeden Tag hört. Und schon gar nicht Tracks, die mit "Accidental Racist" (mit Rapper LL Cool J vor dem Mikro!) oder gar "Those Crazy Christians" betitelt sind. Auch wenn er diese vordergründig kritischen Inhalte in mehrheitsfähige Klänge verpackt, darf man auf so manche Reaktion in Nashville gespannt sein.
Er traut sich was. Er gibt sich nicht mit Konventionen zufrieden, hinterfragt die Tradition. Er provoziert, er eckt an. Das macht ihn sympathisch. Und zu einer herausragenden Persönlichkeit im Genre. Dennoch wäre es vielleicht noch schöner und toller, wenn er Talent und Phantasie etwas bündeln und kanalisieren würde. Wie beispielsweise in der vergleichsweise dezenten Ballade "Tin Can On A String", ein Highlight der CD.
Fazit: Zu viel von allem - Brad Paisley greift erneut mit beiden Händen in die Vollen. Dabei wäre auch bei ihm etwas weniger viel mehr. Trotzdem bürgt er für eine outstanding performance.
Label: Arista Nashville (Sony) | VÖ: 5. April 2013 |
Titelliste
01 | Bon Voyage | 10 | Harvey Bodine |
02 | Southern Comfort Zone | 11 | Tin Can On A String |
03 | Beat This Summer | 12 | Death Of A Single Man |
04 | Outstanding In Our Field (mit Dierks Bentley, Roger Miller & Hunter Hayes) | 13 | The Mona Lisa |
05 | Pressing On A Bruise (mit Mat Kearney) | 14 | Accidental Racist (mit LL Cool J) |
06 | I Can't Change The World | 15 | Runaway Train |
07 | Onryo | 16 | Those Crazy Christians |
08 | Karate (mit Charlie Daniels & Sheryl Crow) | 17 | Officially Alive |
09 | Death of a Married Man (mit Eric Idle) |