Ach ja: "Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an", meinte einst Schlager-Ikone Udo Jürgens. Dass Hank Williams, Jr. den Song kennt, darf man bezweifeln. Doch wie der Routinier in das von Julian Raymond produzierte Album "It's About Time" einsteigt, lässt volle Zustimmung erahnen: Der wilde Geselle gibt Vollgas, volle Pulle, mit Pauken und Trompeten. Für den Opener hat sich der aus Shreveport, Louisiana, stammende Musiker den frühen Neil Young-Song "Are You Ready For The Country" ausgesucht - und mit Eric Church einen zugkräftigen Namen der jungen Garde als Duett-Partner geholt. Gemeinsam mit den besten Musikern Nashvilles laden sie den ursprünglich recht gemächlichen Track mit jeder Menge Country-Rock, Adrenalin und Testosteron auf. Ein erster Volltreffer! Und gleichzeitig Motto für "It's About Time": Man sollte sich für die folgenden 44 CD-Minuten auf eine satte Portion Country einstellen.
Hank Williams, Jr. drückt auf "It's About Time" kräftig auf die Tube
Dem starken Einstieg schickt er einen weiteren Knaller hinterher: "Club U.S.A." Ein schneller, druckvoller, mit vielhörnigem Gebläse und einem jubilierendem Gospel-Chor verschwenderisch ausgestatteter Track, den ihm Tony Stampley und Bonnie Swayze auf den geschundenen Leib geschrieben haben. Ähnlich ist auch das noch etwas rockigere "God Fearin' Man" angelegt.
Drei Songs - drei Themen: Country, Amerika, Gott. Zu den Eckpfeilern seines Weltbildes gesellt sich im nächsten Titel, natürlich möchte man fast sagen, eine Rückschau - die gleichzeitig auch eine Abrechnung mit der aktuellen Country Music ist: Das ruhige, ganz traditionell gehaltene "Those Days Are Gone" verbreitet schon im Titel pure Melancholie: "No David Allen Coe on the Radio" klagt er da, und dass er die Honky Tonks mit der "beer jointin' rough neck crowd" vermisse und mehr von "Haggard and Jones" wolle. Sein schon fast fatalistisches Fazit: "Hey, I'm a dinosaur."
Ein Dinosaurier aber mit Witz und Selbstironie, wie er gleich im nachfolgenden "Dress Like An Icon" unter Beweis stellt. In dem komplett im Alleingang geschriebenen Country-Rocker verrät Hank Jr., dass er zwar ein alter Knabe sein mag, keinesfalls aber von gestern. So empfiehlt er den Hörern von "It's About Time" augenzwinkernd, Musik von BB King zu hören, sich einen Stetson zuzulegen, Gitarre wie Blues-Legende Robert Johnson spielen zu lernen und sich schwarz wie Johnny Cash zu kleiden, weil: "all women like a sharp dressed man."
"It's About Time" bietet Volltreffer und Tiefschläge
Nach so viel erheiternden Weisheiten landet Hank Williams Jr. mit dem anschließenden "God And Guns" einen echten Tiefschlag. God and Guns - da ist der Weg zum Gotteskrieger nicht weit. Obwohl er den Titel - zu seiner Ehrenrettung - nicht selbst geschrieben hat, erinnert er in dem vertonten Schwachsinn an seine diversen Aussetzer: Dass er zum Beispiel vor ein paar Jahren allen Ernstes behauptete, Barack Obama sei ein Moslem, der Farmer, das Militär und überhaupt die gesamten USA hasse. Als er den amerikanischen Präsidenten sogar noch mit Hitler verglich, nahm man beim Sportsender ESPN Hanks langjährige Football-Hymne "Monday Night Football" aus dem Programm. Ansonsten hatte das für den Rabauken keine großen Konsequenzen. Man kenne das Heißblut ja - sagte man. Dass bei ihm eine Schraube locker sei - dachte man.
Dergleichen Song-Schund ist hierzulande natürlich nicht geeignet, um Country von bestehenden Ressentiments zu befreien. Hank Williams, Jr. wird das aber so was von egal sein. Zumindest klingt er bei der weiteren Eigenkomposition "Just Call Me Hank" voll und ganz mit sich im Reinen. Der etwas wehmütige, ruhige Titel besticht durch eine herrliche Pedal-Steel-Guitar, ein blumiges Piano und schöne Harmonien - ein Glanzlicht von "It's About Time". Für weitere sorgen die launige, schmissige, kerzengerade Mel Tillis-Kompostion "Mental Revenge" und das finale "Born to Boogie". Letzteres, ebenfalls ein Eigengewächs, geriert zu einer kleinen Superstar-Gala: Brantley Gilbert, Justin Moore und Brad Paisley rocken bei dem tempogeladenen Boogie um die Wette. Noch einmal trifft Hank Williams, Jr. ins Schwarze. Ein Vergleich, der dem Waffennarr garantiert gefallen würde.
Fazit: Hank Williams, Jr. gefällt sich in der Rolle des linientreuen, erzkonservativen Country-Oldtimers und liefert mit "It's About Time" ein keckes, dynamisch rockendes und alles andere als politisch korrektes Album ab.
Label: Bocephus / Nash Icon (Universal) | VÖ: 29. Januar 2016 |
01 | Are You Ready For The Country (mit Eric Church) |
02 | Club U.S.A. |
03 | God Fearin' Man |
04 | Those Days Are Gone |
05 | Dress Like An Icon |
06 | God And Guns |
07 | Just Call Me Hank |
08 | Mental Revenge |
09 | It's About Time |
10 | The Party's On |
11 | Wrapped Up, Tangled Up In Jesus (God's Got It) |
12 | Born to Boogie (mit Justin Moore, Brantley Gilbert & Brad Paisley) |