Passend zum selbstbewussten Titel "Blown Away" steht Carrie Underwood da wie ein Hollywood-Star, während der Sturm ihr so heftig entgegenweht, dass zwar nicht die Frisur, dafür aber um so mehr ihr langes Kleid so weit nach hinten transportiert wird, dass man(n) einen guten Blick auf ihre wohlgeformten Beine erhält. Von den bisherigen, farbenfreudigen und positive Laune ausstrahlenden CD-Titelbildchen ist "Blown Away" auch sonst weit entfernt, denn die Wiese, auf der Underwood steht, ist genau so dunkel wie die Wolken im Hintergrund.
"Blown Away" bietet zum Auftakt eine volle Ladung an Rock
Aber keine Angst, ganz so düster präsentiert sich die fünffache Grammy-Gewinnerin auf den 14 neuen Tracks nicht. So gibt es zum Auftakt erst mal eine volle Ladung an Rock. "Good Girl" ist ein klassischer Power-Song von Carrie Underwood, der an vorherige Nummern wie "Cowboy Casanova" oder "Last Name" erinnert. Kraftvoll, mit teenietauglichem Klatsch-Rhythmus unterlegt und irgendwie eine kleine Spur zu laut geht es in dem Stück um ein Mädchen, das nicht mitbekommt, wie sie von ihrem Lover hintergangen wird.
Der folgende, emotional vorgetragene Titeltrack setzt ebenfalls ganz auf großes Kino. "Blown Away" ist pompös mit orchestralen Klängen in Szene gesetzt, da könnte man denken, es würde sich um eine Ballade handeln, die wegen des stampfenden Bassdrum nur einfach viel zu schnell geraten ist. Statt dessen geht es um ein von ihrem Vater missbrauchtes Mädchen, die sich einen Tornado wünscht, der ihr Haus - samt Vater - einfach mit sich reißen soll. Eine Thematik, die in einem Musikvideo sicherlich spannend aussieht. Dieser packende Inhalt wäre aber vielleicht in einer Ballade besser zu Hause gewesen als in diesem tanzbaren Up-Tempo-Stück.
"Two Black Cadillacs" beschreitet inhaltlich ebenfalls ungewohnte Wege für die 29-Jährige. So befasst sich das Stück aus der Feder von Carrie Underwood, Josh Kear und Hillary Lindsey mit zwei Damen, die sich gemeinsam eines Mannes "entledigt" haben, der beide betrogen hatte. Mehr inhaltliche Details hätten dem Rachedrama sicher nicht geschadet. Musikalisch ist auch dieses Lied von Produzent Mark Bright wieder in die "Rock-Sound mit Orchester"-Ecke gesteckt worden.
Bietet "Blown Away" auch Country Music?
Und was ist mit Country Music? Nun - zunächst gibt es noch mit "See You Again" eine aufgepoppte Mainstream-Ballade, die sicher ebenso gut für Rascall Flatts funktionieren würde. Immerhin schimmert unter dem Pop-Soundteppich und den Streichern schon mal ganz vorsichtig eine Steel Guitar durch. So dauert es bis zur fünften Nummer, bis die Streicher (endlich) eine Pause einlegen und akustische Instrumente den Ton angeben. Die leichte, kleine Ode an die erste Liebe mit dem Titel "Do You Think About Me" dürfte so das erste Stück sein, mit dem selbst eingefleischte Country-Traditionalisten etwas anfangen können.
Diese Zielgruppe bekommt in der Folge noch ein paar weitere Titel geboten, die eine Einordnung der CD unter der Rubrik "Country" gerade noch so rechtfertigen könnten. Da wäre das ruhige und sehr traditionelle "Wine After Whiskey", bei dem Underwood allein mit ihrer kraftvollen Stimme beweist, dass man auch emotional klingen kann, wenn man auf das Orchester im Hintergrund verzichtet. "Thank God For Hometowns" kommt ebenfalls völlig unaufgeregt und unspektakulär daher - und gerade das macht diese Nummer im poppigen Umfeld zum Tipp. Diese beiden Stücke hätten übrigens ohne Probleme auch auf die beiden ersten Alben der Sängerin gepasst.
Ein oder besser das definitive Highlight für Country-Fans dürfte das fetzige "Cupid's Got a Shoutgun" sein. Ein wilder Country-Rocker, der nicht nur vom unverwechselbaren Gitarrenspiel von Bad Paisley, sondern auch von der stimmlich aus sich herausgehenden Interpretin seine enorme Energie bezieht. Ausführliche Solis von Gitarre und Fiddle und runden den herrlichen Song mit bester Eignung als Live-Kracher ab. Geschrieben haben den Titel Josh Kear, Chris Tompkins und Carrie Underwood, die insgesamt bei acht Songs auf "Blown Away" als Co-Autorin aktiv gewesen ist.
In neue Gefilde wagt sich Underwood nach dem teils düsteren Einsteig der CD noch mit "One Way Ticket" und peilt damit wohl einen Sommerhit an. Der dürfte mit diesem Karibik-Feeling-Song aber kaum gelingen, sind Musik und Text doch erschreckend belanglos ausgefallen. "Life is a Ride on a Party Bus…" singt Underwood da - was ja stimmen mag, wenn man 14 Millionen Platten verkauft hat ... aber sonst?! Nee. Da sollte man für niveauvollere Urlaubssongs doch lieber im Repertoire von Kenny Chesney suchen.
Fazit: Auf ihrem vierten Album "Blown Away" beschreitet Carrie Underwood neue Wege, mit denen sie vornehmlich im Pop-Bereich punkten wird. Für die Fans der ersten Stunde gibt es eine Handvoll echter Country-Songs, die zwar kaum neues bieten, aber trotzdem gut gelungen sind.
Label: Arista Nashville (Sony) | VÖ: 27. April 2012 |
01 | Good Girl |
02 | Blown Away |
03 | Two Black Cadillacs |
04 | See You Again |
05 | Do You Think About Me |
06 | Forever Changed |
07 | Nobody Ever Told You |
08 | One Way Ticket |
09 | Thank God for Hometowns |
10 | Good in Goodbye |
11 | Leave Love Alone |
12 | Cupid's Got a Shotgun |
13 | Wine After Whiskey |
14 | Who Are You |