Anzug, Krawatte, Gel. Das klingt nach einem richtig festlichen, opulenten Weihnachtsmal; mit alles Extras. Mit Bimmeln, Geigen und Kinderchören; mit Bigband, Fanfaren und Trompeten. Und: Genau so muss man sich den Festtags-Sound des Herrn Michael W. Smith auch vorstellen. Nahezu jedes Lied des 14-gängigen Song-Menüs bringt es locker auf 5.000 Kalorien. Das sättigt. Doch nach einer Weile kann einem die ganze aufgefahrene Klang-Pracht doch etwas auf Magen und Ohren schlagen. Zu viel ist halt immer zu viel. Und das hier ist zu viel.
Wer die Mannheim Steamroller kennt - ein amerikanisches Weihnachts-Orchester mit höllischem Brimborium - der weiß, was der Autor dieser Zeilen sagen will. Doch Michael W. Smith ist gegenüber dem Orchester natürlich im Vorteil. Denn er kann die Crème de la Crème von Nashville - und nicht nur von dort - vor das Mikro zum Duett bitten. Wie immer großartig macht das der netteste Mensch der Music Row, Vince Gill. Bei "Christmas Time Is Here" singt und spielt er wieder mal wie ein Gott; bei dem etwas jazzig gehaltenen "White Christmas" geben sich Lady Antebellum die Ehre (und setzen ein Glanzlicht!) und beim Klassiker "Silent Night" holt Michael W. Smith die vier Goldkehlchen von Little Big Town vor das Mikrofon, um eine echt gelungene, feierliche Version beizusteuern.
Gefolgt von einem nacheinander antretenden Gäste-Damen-Quartett, das es in sich hat: Martina McBride verströmt pastorale Feierlichkeit bei "What Child Is This", Amy Grant, die weitere große Stimme der christlichen Popmusik, singt bei "Almost There" wie ein Engel, Carrie Underwood zeigt bei "All Is Well" ihre bemerkenswert spirituelle Seite und selbst Rauhkehlchen Jennifer Nettles lässt bei "Christmas Day" innere Ruhe walten, zumindest bis zum Refrain. Dann greifen Nettles und Arrangeur wieder bis zum Anschlag in die Pathos- und Bombast-Kiste. Was schade ist, denn die raffinierten Harmoniewendungen in der ersten Strophe hätten so einen Kraftakt gar nicht nötig gehabt.
Bis hierher verläuft das Album, sagen wir, erwartungsgemäß: Die üblichen Verdächtigen treten als Gaststars auf, die Arrangements entsprechen den amerikanischen Vorstellungen von feierlichem Weihnachten. Zum Ende präsentiert der smarte Musiker aber dann doch zwei echte Überraschungen. Denn bei "The Darkest Midnight" spricht mit geheimnisvoller Stimme U2-Chef Bono den spirituellen Text. Ihn hätte man in dieser Umgebung am allerwenigsten erwartet. Eher schon den letzten Duett-Partner: Ex-Doobie Brother Michael McDonald, seit langem in Nashville ansässig. Mit dem bärtigen Pracht-Tenor zündet Michael W. Smith eine letzte Song-Sternschnuppe: "Peace". Der Titel ist Programm, der schönste Beitrag der CD.
Fazit: Michael W. Smith gibt den jazzigen Festtags-Crooner - und holt die Crème de la Crème Nashvilles als Gastsänger ins Studio. Leider trägt er nicht selten zu dick bei den Arrangements auf.
Label: Sparrow (Universal) | VÖ: 31. Oktober 2014 |
Titelliste
Video-Interview
01 | The Miracle of Christmas | 08 | Silent Night (mit Little Big Town) |
02 | It's The Most Wonderful Time of The Year | 09 | What Child Is This (mit Martina McBride) |
03 | Happy Holiday / Holiday Season (Medley) | 10 | Almost There (mit Amy Grant) |
04 | Christmas Time Is Here (mit Vince Gill) | 11 | All Is Well (mit Carrie Underwood) |
05 | White Christmas (mit Lady Antebellum) | 12 | Christmas Day (mit Jennifer Nettles) |
06 | Somewhere In My Memory (mit Audrey Smith) | 13 | The Darkest Midnight (mit Bono) |
07 | The Spirit of Christmas (Medley) | 14 | Peace (mit Michael McDonald) |