Er ist eine Marke für sich: Eric Church, der aktuelle "CMA Entertainer des Jahres"-Titelhalter, der schlaue Country-Rocker mit dem Bruce-Springsteen-Faible, der großartige Live-Performer und kreative Überflieger. Von ihm durfte man noch nie ein "mal so eben" produziertes neues Album erwarten. Nein, er hatte für eine Veröffentlichung schon immer einen Plan, eine übergeordnete Idee. Das galt für die ohne Vorwarnung Ende 2015 veröffentlichte "Mr. Misunderstood"-CD – und das gilt umso mehr für das Alben-Trio "Heart" "&" "Soul".
Mit heißem Herz: "Heart" von Eric Church
Für den kreativen Prozess des Songschreibens hat sich Church für rund ein Monat in die idyllische Bergwelt von North Carolina zurückgezogen (wo er ohnehin geboren wurde). In einem putzigen Kaff namens Banner Elk hat er sich gemeinsam mit seiner Tourband in einem Studio eingenistet, namhafte Co-Autoren gingen ein und aus. Mit geradezu militärischer Disziplin habe er die Routine - Songwriting am Morgen, Aufnahmen am Abend - angeblich 28 Tage lang durchgezogen. Klar, da geht was. Da entstehen Songs sozusagen am Fließband.
Zumal ihm, dem nimmermüden Text- und Songschmied, Songschreiber-Koryphäen wie Casey Beathard, Jeff Hyde und Luke Dick zur Seite standen. Wie der Aufnahme-Prozess in der Abgeschiedenheit von North Carolinas Bergwelt vermuten lässt, besinnt sich Eric Church bei seinen neuen Songs auf das Elementare. Auf Songs mit starker Aussage und intensiver Stimmung. Auf klangtechnischen Gimmick, aufgeblähte Arrangements haben Church und Jay Joyce, sein Haus-und-Hof-Produzent, weitgehend verzichtet.
Es ist immer wieder interessant, wie die Umgebung einen Künstler beeinflussen kann. Hätte Church die insgesamt 24 neuen Songs von "Heart" "&" "Soul" im hektischen Studio-Betrieb von Nashville aufgenommen - oder in Los Angeles oder New York - wäre mit Sicherheit ein völlig anderer Sound herausgekommen. So aber fließen ländliche Ruhe und landschaftliche Schönheit in das Klangbild der Tracks mit ein. Es braucht jedenfalls keine vier Takte des Openers "Heart on Fire", um vor dem inneren Auge die bewaldeten Berge von North Carolina, die kleinen, mit weißem Holz vertäfelten Läden und Best Western-Hotels dieser Kleinstadt zu sehen. Mehr noch: Kaum lässt Eric Church seine unverkennbare Stimme zu den hymnischen Kadenzen der Akustik-Gitarre erklingen, spürt man auch die Euphorie des Sängers: "Heart on Fire". Klarer Fall: hier singt einer tatsächlich mit brennendem Herzen. Der Opener wächst sich im Laufe der fast viereinhalb Song-Minuten zu einem wuchtigen, mega-positiven Heartland-Rocker aus. Ein Song, bei dem man am liebsten seinen Koffer packen würde, um wegzufahren. Egal wohin.
Mit diesem Song hat Church die Marschroute eines neuen Werks vorgegeben. Dem vielversprechenden Anfang lässt er, typisch Eric Church, indes einen Song anderen Kalibers folgen: "Heart of the Night" klingt schon im Titel nach Mainstream-Rock-Ballade - und völlig falsch liegt man mit dieser Einschätzung nicht. Der Song, bei dem gleich vier weitere Co-Autoren mitwirkten, entpuppt sich als musikalische Wundertüte. Nach einem verhaltenen Klavier-Intro setzt nach einer Minute ein triolisches Band-Stakkato ein Ausrufezeichen; nach einer weiteren Songminute steht "Halftime" auf den Lead-Sheets, also halbes Tempo - um später aber wieder Fahrt aufzunehmen. Dieses komplexe Durcharrangieren kennt man im Pop vor allem von Leuten wie Jim Steinman und seinem Protagonisten Meat Loaf - und tatsächlich lässt der nächste Song "Russian Roulette" mit wuchtigem Piano, Pathos und opulenten Klängen (inklusive Chor) an Meat Loaf´s Jahrhundert-Hymne "Bat out tf Hell" denken.
"Heart" entstand in den Bergen von North Carolina
Nun, das ist nicht übel. Aber dann doch nicht ganz der Sound, den wir uns aus dem temporären "Mann aus den Bergen" vorgestellt haben. Den bekommen wir allerdings ab Song Nummer vier, "People Break" - und zwar für den Rest der CD. In dem nachfolgenden halben Song-Dutzend zeigt Church, wie vielfältig und abwechslungsreich Country-, Folk- und Heartland-Rock sein können.
Nach dem mit großartigen Melodien ausgestatteten Country-Rocker "People Break", schlägt er mal Folk-Rock ("Bunch of Nothing", "Love Shine Down"), mal soliden Country-Rock ("Never Break Heart"), mal gefühlvolle, balladeske Töne an ("Crazyland"). Für das Highlight in diesem schimmernden Song-Reigen sorgt aber das so witzige wie außergewöhnliche "Stick That in Your Country Song", bei dem Eric Church wieder ein ganzes Füllhorn an Einfällen ausbreitet. Nach akustischem Beginn steigert sich der Track zu einem geradezu infernalen Country-Rocker. Muss live der glatte Wahnsinn sein...
Fazit: Eric Church ist mal wieder so kreativ wie produktiv gewesen: Innerhalb eines Monats hat er Songs für drei Alben aufgenommen - den Anfang macht jetzt "Heart". In den neun Songs bietet er hochkarätigen Country- und Heartland-Rock plus mancher Überraschung.
Label: EMI Nashville (Universal) | VÖ: 16. April 2021 |
01 | Heart on Fire |
02 | Heart of the Night |
03 | Russian Roulette |
04 | People Break |
05 | Stick That in your Country Song |
06 | Never Break Heart |
07 | Crazyland |
08 | Bunch of Nothing |
09 | Love Shine Down |