Alleine die Nennung dieser Referenzen macht deutlich, dass Chris Stapleton ein sicheres Gespür für massentaugliche Melodien und Texte haben muss. Da stellt sich die Frage: Vertraut er bei seinem Solo-Debüt auch auf sein Hitnäschen - oder schlägt er hier andere Töne an?
Schon alleine die Cover-Optik dürfte diese Frage beantworten: Stapleton gibt auf kunstvollen Schwarz-Weiß-Fotos den wettergegerbten Outlaw. Im Innenteil wird's farbig, aber nicht konventioneller. Stapleton posiert gemeinsam mit seiner Frau - und Background-Sängerin Morgane - im staubigen Highway-Nirgendwo vor einem alten, Hirschgeweih-verzierten Pick-Up. Message: rustikale Roots, deftige Songkost, keine Klangkosmetik. Ein Versprechen, das der junge Outlaw in jedem der 14 Titel einlöst. Mit großer Begeisterung, wie man hören darf...
Dabei ist es aber nicht so, dass Stapleton grundsätzlich ein Problem mit dem Mainstream hat. Er lässt durchaus gefällige Melodien zu. Wie zum Beispiel gleich beim Opener und Titeltrack, bei dem er klassische Country-Motive mit grober Feile und rauer Stimme kunstvoll zu einem herrlich-zeitlosen Song bearbeitet. Ein Song für das Country-Radio? Unbedingt, auch wenn der Track die üblichen Weichspül-Kriterien sorgfältig ausspart.
Gleich die ersten fünf Titel beschreiben den Klang- und Lebenskosmos des grandiosen Songschmieds. Der beinhaltet den Roots-Klängen vorbehaltene Drei-Viertel-Takt ("Fire Away", "Tennessee Whiskey"), strammer, mit Americana-Zutaten abgeschmeckter Country-Rock ("Parachute") und düstere, spartanisch arrangierte Akustik-Klänge (die Säuferballade "Whiskey And You"). Dass im ersten Song-Fünfer zwei Titel mit "Whiskey" vorkommen, dürfte kein Zufall sein. Chris Stapleton, das wird deutlich, kennt das Leben mit seinen Sonnen- und Schattenseiten. Und er ist, auch das wird schnell klar, ein Freund deutlicher, ungeschönter Worte. Nicht jeder Track wird deshalb beim Establishment in den Music Row-Büros mit Wohlwollen aufgenommen werden. Doch es dürfte ihm egal sein...
Chris Stapleton ist ein genauer Beobachter. Ein Chronist des heutigen Amerikas. Er legt den Finger in die Wunde, er lässt sich aber auch ab und an von dezenten pathetischen Gefühlen mitreißen, um dann einen Track wie das genauso gefühlvolle wie gefällige "When The Stars Come Out" aus der karierten Holzfäller-Jacke zu schütteln. Eher konventionell fällt auch der Country-Blues "Might As Well Get Stoned" aus. Hier erinnert der wuchtige Shouter an Travis Tritt - oder an Kid Rock. Gegen Ende des von Dave Cobb und Chris Stapleton produzierten Albums wird es noch das eine oder andere Mal düster. Zum Beispiel bei der mysteriösen Country-Ballade "Was It 26" und dem im extrem langsamen Shuffle-Rhythmus gehaltenen, vermutlich autobiografischen Blues "The Devil Named Music". Bei beiden Songs brilliert der langjährige Willie Nelson-Sideman Mickey Raphael an der Mundharmonika.
Für den Rausschmeißer der CD sorgt eine vierminütige Live-Version des Laid-Back-Blues "Sometimes I Cry" - ein dunkler, mystischer Track, der sich auf jedem Quentin Tarantino-Soundtrack gut machen würde.
Fazit: Rau aber herzlich - der junge Outlaw und Songwriter-Star sorgt im glatten Nashville für ersehnte Ecken und Kanten. Ein starkes Solo-Debüt!