Feinsinnige, entspannte Zurückhaltung
Kurz zur Erinnerung: Gleich die erste Mayor-Single von Kacey Musgraves, "Merry Go 'Round", war 2012 ein Knaller. Angesiedelt im typischen, amerikanischen White Trash Trailer Park sang sie von den Vergessenen, die aus Langeweile heiraten, mit 21 zwei Kinder haben und nichts anderes kennen. "Same hurt in every heart / Same trailer, different park". Der Fluss brillant getexteter, kompromisloser Songs mit herrlichen Melodien riss nicht ab, ihre ersten beiden Alben liefern knackigen Countrypop, die Hits "Blowin' Smoke" and "Follow Your Arrow" erfreuten sowohl das junge, weibliche Publikum als auch die Kritiker, zahlreiche Nominierungen und Grammy- und ACM/CMT/CMA Gewinne folgten.
Nun erstaunt Album Nr.3 mit feinsinniger, entspannter Zurückhaltung.
Sie sorgt für einen Burt Bacharach Moment
Gleich der erste Song "Slow Burn" setzt hier den Ton, denn sie singt davon, dass ihr die Welt manchmal auch herzlich egal ist und sie sich freudvoll den eigenen, langsamen Umdrehungen widmet: "Texas is hot, I can be cold." Das folgende einsame Wochenende, das sie in "Lonely Weekend" besingt, zeigt sie von der Welt abgeschnitten. Alle amüsieren sich, nur sie ist allein und daheim - aber keineswegs unglücklich. Und so nutzt sie diesen Zustand für einen leichtfüßigen Popsong, der verträumt und mit sphärischen Backingvocals für einen Burt Bacharach Moment sorgt.
Die erste Single "Butterflies" ist eine schöne Einladung für dieses unerwartete Album, eingängig und mit attraktiven, elektronischen Sounds versehen inklusive einer Pedal Steel, die Country-Liebhaber versöhnt, das durchschnittliche Poppublikum aber nicht weiter stört.
Kosmisch geht es weiter mit "Oh What A World" und ihren Gedanken zu Schönheit, Magie und Endlosigkeit, elektronische Sounds vereinen sich mit einem Banjo, das gedankenverloren vor sich hinzupft und für die Erdung in diesem euphorischen Stück Weltumarmung sorgt.
Langsam beginnt dann auch der Letzte zu ahnen: Kacey Musgraves ist verliebt
Und weil man nie nur in einen Menschen verliebt ist, hören wir mit "Mother" eine ergreifende Hommage an eben diese und später mit "Rainbow" eine ebensolche, Piano getragene für die Großmutter. Mit "Happy & Sad" bringt Kacey Musgraves ihren Zustand auf den Punkt: "You've got me smiling with tears in my eyes".
Grund für ihre rundum präsente, reflektierte Verletzlichkeit mag ihr noch junges Glück mit Ehemann und Songwriter Kollege Ruston Kelley sein, den sie im Oktober 2017 heiratete. Es ist berührend, wie über dem Album ein Gefühl des Staunens über so viel Glück liegt.
Mit "High Horse" sorgt sie dann für den überraschendsten und auch kritischsten Moment des Albums. Ein Song, der in seiner Dancefloor-Orientiertheit wie bei Madonna geklaut wirkt, hier aber dann doch etwas unpassend erscheint, auch wenn er textlich mit seinen scharfen Wortspielen der angriffsfreudigste Song von allen ist.
Produzent von "Golden Hour" ist neben Ian Fitchuk, einem Vertreter der neuen Nashville Generation, dessen Portfolio von Shania Twain bis Jake Bugg reicht, auch Daniel Tashian. Der wiederum ist ein experimentierfreudiger Folk-Pop-Künstler aus dem Kreis um T Bone Burnett, seine aktuelle Band sind The Silver Seas, und auch wenn er als Songwriter diverse Country Berührungen aufweisen kann, so ist seine Ambition doch eindeutig fern jeglicher Rootsorientierung. In ihm hat Kacey Musgraves einen guten Partner gefunden, um neue Ufer anzustreben. Ob diese Verbindung auch Zukunft hat, bleibt abzuwarten.
Fazit: "Golden Hour" ist ein starkes, persönliches Album, das mit seiner mutigen Sanftheit für einen besonderen Augenblick in der noch jungen Karriere der Texanerin sorgt.