Dass solch hochtrabende Prognosen vielleicht gar nicht so abwegig sind, bewies bereits die erste Single-Auskopplung "Look at You", die auch gleichzeitig der Opener auf "Gravity" ist. Definitiv einer dieser Ohrwurm-Songs, die einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen. Seit Wochen schon tummelt sich die Midtempo-Nummer in den Top 25 der Billboard Hot Country Songs Charts, Tendenz steigend. Alles andere als ein schlechter Auftakt also, und es wird sogar noch besser. Bei "Lovin' Lately" erhalten Big & Rich nämlich Unterstützung von keinem Geringeren als Tim McGraw. Das Resultat ist ein gnadenlos einprägsamer Titel, der sowohl melodisch als auch gesanglich zu den Highlights des Albums zählt. Da ist es wenig überraschend, dass "Lovin' Lately" bereits als zweite Single auserkoren wurde - und in den Charts ganz sicher für Furore sorgen wird. Es folgt mit dem Titelsong "Gravity" eine von einer Steel Guitar dominierte Ballade, die sich ganz um das Thema Liebe dreht. Mit Klischees wird hier nicht gegeizt, aber dem Charme der Nummer tut das keinen Abbruch. Vielmehr liefern Big & Rich hier den Beweis, dass sie durchaus vielseitig sind und man sie nicht nur auf poppig-anmutende Chartstürmer reduzieren sollte.
Allerdings muss man festhalten, dass die Beiden diese Kategorie so souverän und gekonnt wie kaum jemand anders bedienen. "Brand New Buzz" liefert da auch gleich einen weiteren Beweis. Die Strophe geht ins Ohr wie ein Q-Tip, der langsam einsetzende Bass steigert sich in einen nicht weniger markanten Refrain. Das ist schon wirklich allererste Sahne, was die beiden Routiniers hier abliefern. Mehr davon? Kein Problem. Nach dem schmissigen "Rolling Along" gibt es mit "Run Away With You" eine weitere Attacke auf den ominösen Part des Gehirns, der Songs in der Dauerschleife wiedergibt. Ein wenig ausgelassener wird es dann mit "Lose a Little Sleep", das wohl ein wenig Party-Atmosphäre erzeugen soll. Gelingt auch ganz gut, aber den Wiedererkennungswert der vorigen Titel erreicht die Nummer nicht wirklich. Das schafft "Don't Wake Me Up" schon eher - eine Power-Ballade, wie sie im Buche steht. Für das Country Genre eher ungewöhnlich wird es dann bei "That Kind of Town", einem überraschend bissigen Portrait des Lebens in einer nicht näher genannten amerikanischen Kleinstadt. "Eines Tages möchte ich in einem Ort leben, in dem Klatsch und Tratsch es nicht in die Zeitung schaffen, wo der Kinderarzt nicht auch gleichzeitig der Leichenbestatter ist, wo mehr zum Leben gehört als Bud Light und in der Gegend rumfahren", gibt das Duo zum Besten. Hoffentlich fühlen sich da einige Fans nicht auf den Schlips getreten. Musikalisch gibt es aber nichts zu meckern.
Auf der Zielgeraden greifen Big & Rich noch einmal tief in die Pathos-Kiste, wie der Titel "Thank God for Pain" bereits erahnen lässt. Frei nach dem Motto "alle schlechten Erfahrungen haben mich zu dir geführt" liefert das Duo hier kurz vor Toreschluss noch einmal einen echten Schmachtfetzen ab. Aber "Gravity" wäre kein Big & Rich Album, wenn es gänzlich ohne Gassenhauer auskommen müsste. Das rockige "I Came to Git Down" liefert da einen würdigen Abschluss, der durchaus ein wenig an das legendäre "Save a Horse (Ride a Cowboy)" erinnert.
Fazit: Auf "Gravity" stellen Big & Rich gekonnt und abwechslungsreich ihre große Stärke zur Schau – satte Melodien, denen man sich nur schwer entziehen kann. Ein wirklich gelungenes Album, das nur wenige Schwächen und viele Highlights zu bieten hat.
Label: Big & Rich / Kobalt (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 23. September 2014 |
Titelliste
01 | Look At You | 07 | Lose a Little Sleep |
02 | Lovin' Lately (mit Tim McGraw) | 08 | Don't Wake Me Up |
03 | Gravity | 09 | That Kind of Town |
04 | Brand New Buzz | 10 | Thank God for Pain |
05 | Rollin Along | 11 | I Came to Git Down |
06 | Run Away With You |