Kein Wunder, dass diese 13 Titel vor dichter, intimer Atmosphäre nur so strotzen. Schließlich entstanden die Werke, wie Rosanne im Begleittext des Booklets erzählt, zwischen Frühling 2003 und Frühling 2005. Zwei Jahre, in denen der genauso talentierte wie unangepasste Sproß der Künstlerfamilie nacheinander ihre Stiefmutter June Carter (Juni 2003), ihren Vater Johnny (September 2003) und ihre leibliche Mutter Vivian Liberto Cash Distin (Mai 2005) verlor. Zwei Jahre, drei menschliche Tragödien. Wie verkraftet man so etwas, wie zieht man sich da wieder aus dem dunklen Loch, wie schüttelt man das Gefühl des Verlassen- und Verlorenseins wieder ab? Rosanne Cash wählte, wie viele andere ihrer singenden Kollegen und Kolleginnen, ihre einzige zur Verfügung stehende Therapie-Methode - Songs darüber zu schreiben. Im Booklet bekennt sie, dass die Titel aus den verschiedensten Gefühlen heraus entstanden: "Manche entstanden aus einer Ahnung heraus, andere sollten heilend auf mich wirken, einige schrieb ich im Zorn, einige in Trauer." Und einige, schreibt sie hier, hat sie zum Trotz der öffentlichen Vorstellung von Trauer geschrieben.
Wem diese freimütigen Bekenntnisse Respekt abringen, sollte unbedingt diese Lieder hören. Denn kaum hat man jemanden so radikal öffentlich sein Herz ausschütten hören, als dies die 49jährige Sängerin und Songschreiberin hier tut. Dennoch: Die teils von Bill Bottrell (u.a. Madonna) in Los Angeles, teils von John Leventhal (Shawn Colvin, Rodney Crowell) in New York produzierte CD ist beileibe keine Selbstmitleids-Orgie in Moll. Denn Rosanne Cash formuliert ihre Trauer, ihren Schmerz aber auch ihre Hoffnungen immer subtil und hintergründig. Sie hinterfragt - und dabei nimmt sie ein Scheitern tapfer in Kauf. Diese Geisteshaltung erinnert - genau wie die meist spartanisch mit akustischen Instrumenten arrangierte Musik - an die besten Momente von Mary Chapin Carpenter. Balladen wie "I Was Watching You", "The World Unseen" und "God Is In The Roses" könnten so auch mühelos Mary Chapin Carpenters Meisterwerk "Come On, Come On" entstammen. Sogar stimmlich tun sich Parallelen auf - und das kann man nur als Kompliment verstehen.
Dabei schickt einen der Opener und Titeltrack erst einmal auf eine falsche Spur: der beginnt mit hippen Loungs-Sounds und einem brummenden Bass absolut clubtauglich und ihr Gesang lässt einen an Marainne Faithful oder Melissa Etheridge denken. Diese verhältnismäßig rabiate und eher rockorientierte Geschmacksnote nimmt sie in den zweiten Titel mit: "Radio Operator" - um nach wenigen Takten kunstvoll in eine ruhige, akustische Folk-Atmosphäre überzublenden. Eine Stimmung, der sie bis auf wenige Ausnahmen treu bleibt. Neben verschiedenen Zitaten - von Psychedelic-Rock bis Bluegrass-Roots - muten einige Songs herrlich nostalgisch in bester 60ies-Beat-Manier an. Allen voran das sarkastische "Like Fugitives" und das desillusionierte "Dreams Are Not My Home". Ein Sonderlob gebührt dem Booklet. Es zeigt in herrlich melancholischen Fotos das Cash-Haus: ein verwaister Swimmingpool, ein leeres Wohnzimmer, ein menschenleerer Park, ein paar Fotos aus vergangenen Tagen und ein betagter, nun wohl für immer geparkter "Black Cadillac".
Fazit: Songschreiben als Therapie- Rosanne Cash verarbeitete ihren Kummer in 13 großartigen Songs. Auch wenn Country nur die Begleitmusik spielt, liefert sie mit "Black Cadillac" ihr Meisterstück ab.
Label: Capitol Nashville (EMI) | VÖ: 27. Januar 2006 |
Titelliste
Links
01 | Black Cadillac | 08 | Like Fugitives |
02 | Radio Operator | 09 | Dreams Are Not My Home |
03 | I Was Watching You | 10 | Like A Wave |
04 | Burn Down This Town | 11 | World Without Sound |
05 | God Is In The Roses | 12 | Good Intent |
06 | House On The Lake | 13 | 0:71 |
07 | The World Unseen |