In der vielfach für den Emmy nominierten und ausgezeichneten Dokumentarserie "American Masters" porträtieren Regisseure aus aller Welt ihre großen Idole und wichtige Künstler sowie Filmschaffende. Neben Martin Scorsese, Dustin Hoffman, B. B. King und Hillary Clinton brachte es in diesem Jahr auch die Country-Musikerin Patsy Cline zu einer 106-minütigen Episode. Ebenjene schafft es jetzt unter dem Namen "When Patsy Cline was… Crazy" als für sich stehende Dokumentation in die Heimkinos der Fans, wo Regisseurin Barbara J. Hall ihnen den Werdegang und die bewegte Karriere ihrer Patsy Cline näher bringt. Für Liebhaber der "Crazy"-Interpretin bietet sich so ein ausgiebiger Einblick in das Leben der Künstlerin, auch wenn Hall kaum bis gar nicht vom Aufbau einer durchschnittlichen Dokumentation abweicht und damit immerhin der Filmreihe treu bleibt.
Preisträger von 27 Primetime-Emmys
In den USA ist "American Masters" ein riesiger Erfolg. Die Doku-Reihe brachte es zu insgesamt 27 Primetime-Emmys und bislang 216 Folgen. Für Barbara J. Hall ist ihre Episode über Patsy Cline nicht bloß ein Debüt innerhalb der Reihe, sondern auch die erste Regiearbeit überhaupt. Für ein Debüt inszeniert sie ihr Cline-Porträt erstaunlich souverän und scheint den roten Faden einer klassischen Dokumentation verinnerlicht zu haben.
Sie beginnt bei der Kindheit von Patsy Cline in Winchester, Virginia, wo die unter dem Namen Virginia Patterson Hensley geborene Musikerin 1932 zur Welt kam. Sie betrachtet das Umfeld der Interpretin sehr genau, lässt Weggefährten von damals und heute, aber auch Betrachter von außen wie Musikerkollegen, Journalisten und Wissenschaftler, zu Wort kommen und ordnet das Geschehen somit direkt historisch ein. In "When Patsy Cline was… Crazy" geht es somit zwar auch um den Menschen hinter Patsy Cline, doch wie man es von der Reihe "American Masters" kennt, steht vor allem die Bedeutung der Persönlichkeiten für den jeweiligen Industriezweig (hier: die Country Music) im Mittelpunkt.
Patsy Cline - Ein Country-Märchen
Rebecca J. Hall bleibt in ihrer Betrachtung konsequent nüchtern; sie erzählt das Leben von Patsy Cline nach, ohne dabei zu überinszenieren und somit künstlich auf die Tränendrüse zu drücken. Trotzdem geht ihre Erzählung nicht völlig emotionslos vonstatten, doch oftmals reicht schon die reine Beschreibung der Umstände, um ein Gefühl für die Zeit von damals und die damit einhergehenden Probleme zu schaffen.
Patsy Cline wächst in ärmlichen Verhältnissen auf und sieht in der Musik eine Möglichkeit, aus ihrem harten Alltag zu entfliehen. Das ist Stoff für ein herbes Drama, doch "When Patsy Cline was… Crazy" nimmt sich sogar soweit erzählerisch zurück, dass in dieser frühen Phase noch nicht einmal die Wegbegleiter des Mädchens zu Wort kommen. Den Anfang macht ein simpler Off-Kommentar von Erzählerin, Musikerin und Johnny-Cash-Tochter Rosanne Cash, der sich über das ausführliche Archivmaterial legt. Erst nach und nach kommen immer mehr zusätzliche Quellen hinzu, dürfen verschiedene Menschen von ihrer Begegnung mit Patsy Cline erzählen. Leider springt Hall hier ab und an hin und her: Mal geht es um Clines Kindheit, mal um ihren Einfluss auf die Musik, auf ihren Stellenwert als Vorbild und dann wiederum erzählen Familienmitglieder eine lustige Anekdote.
Fotos, Videos, Musik
Rebecca J. Hall stand für die Realisation der Patsy-Cline-Doku augenscheinlich enorm viel Archivmaterial zur Verfügung, denn schon in der frühen Phase Anfang der Dreißigerjahre greift sie auf Schwarz-Weiß-Fotos und Audioaufnahmen von Patsy Cline zurück. Später nutzt sie vor allem Aufnahmen aus diversen Fernsehaufritten und Filmen, in denen die Musikerin zu Lebzeiten auftrat.
Wo andere Filmemacher oft den Fehler begehen, Material mehrmals zu verwenden - einfach weil nicht mehr davon zur Verfügung steht - kommt es in "When Patsy Cline was… Crazy" kaum bis gar nicht zu Wiederholungen. Auch abseits von diesem Umstand ist der Doku der immense Produktionsaufwand anzusehen. Die Übergänge, die Grafiken und Designs haben Leinwandformat und lassen erahnen, weshalb "American Masters" in den USA zu einem solchen Erfolg werden konnte. Darüber hinaus wurde ein Großteil des Bildmaterials aufwändig restauriert; sogar Aufnahmen aus den frühen Fünfzigerjahren sind klar, die Optik scharf, ebenso wie die Musik auf der durchdringenden Tonspur. Da lässt es sich verschmerzen, dass der Film bislang nur auf DVD für Zuhause zu haben ist.
Wenig Neues für Kenner
Gleichermaßen schaut sich "When Patsy Cline Was… Crazy" aber auch wie ein 106 Minuten langer Wikipedia-Artikel. Das bedeutet, dass gerade Liebhaber der Musikerin nur wenig Neues erfahren werden. Der Film ist so etwas wie ein sehr ausgiebiges Referat über die Musikerin, setzt brav hinter jede wichtige Station ein Häkchen (von Aufstieg über die Hochzeit bis hin zum Tod und die Erfolge post mortem), ist in der Betrachtung darin allerdings sehr aufwändig und detailliert. Das Gefällt und erweckt den Eindruck eines durch und durch passionierten Projekts. Doch enttäuscht ist möglicherweise der, der sich am Ende doch das eine oder andere Geheimnis über die Musikerin erhoffte.
Fazit:"When Patsy Cline Was… Crazy" ist eine souverän inszenierte Dokumentation über die berühmte Musikerin und liefert Fans genau das, was sie möchten, um das Leben und den Werdegang ihres Idols nachzuvollziehen. Experimente geht die Regisseurin indes nicht ein, sodass sich Unbeteiligte nach diesem Film kaum für die Country-Legende begeistern werden.
Regie | Darsteller | Rolle | ||||
Barbara J. Hall | Rosanne Cash | ... | Erzählerin |