Die Dokumentation "I am Johnny Cash" fasst das Leben des Man in Black zusammen
Mit der Dokumentation "I am Johnny Cash" - ein Mix aus Originalaufnahmen, Archivmaterial, privaten Schmalspurfilmen, Fotos und Interviews mit Freunden, Familie und Weggefährten - bieten Derik Murray & Jordan Tappis Neueinsteigern wie Fans gleichermaßen einen kurzweiligen und sehr persönlichen C(r)ash-Kurs.
Sein Gesicht gehört auf den Mount Rushmore
"Für mich gehört sein Gesicht auf den Mount Rushmore", stellt Kris Kristofferson gleich zu Beginn der Dokumentation "I am Johnny Cash" fest. Und Eric Church fasst Cashs Bedeutung für die Musik zusammen: "Elvis, die Beatles, Johnny Cash." Produzent Rick Rubin, Wegbereiter seines Comebacks in den 90er Jahren, sagt, immer noch beeindruckt: "In seiner Gegenwart hatte man das Gefühl, mit jemand wirklich wichtigem zusammen zu sein." Nicht schlecht für einen Farmersohn aus Arkansas, der unter ärmsten Bedingungen aufwuchs und sich die harte Arbeit auf dem Baumwollfeld mit Gospelmusik erträglich machte.
Aus Gospel wurde Country, aus dem Farmersohn ein Superstar und schließlich eine Ikone der Popkultur. In 83 knappen, schnell getakteten Minuten bleibt bei einer langen und beispiellosen Karriere wie Cashs zwangsläufig einiges auf der Strecke oder wird nur angerissen. Dennoch gelingt "I am Johnny Cash" (Executive Producer: John Carter Cash) ein umfassender Überblick auf das Leben der Country-Legende, indem sie die wichtigsten Ereignisse, Songs und Karriereschritte abdeckt.
Schicksalsschläge und Höhenflüge
Der schreckliche Unfalltod seines Bruders kommt zur Sprache (Rosanne Cash: "Die Trauer darüber ist mein Vater sein Leben lang nicht mehr losgeworden."), seine Liebe zu June Carter Cash (Rosanne, Tochter von Cashs erster Frau Vivian: "Mir leuchtete schon als Kind ein, dass die beiden füreinander bestimmt waren."). Die ersten Erfolge, und dass einer seiner größten Hits, "Folsom Prison Blues", in großen Teilen bei Gordon Jenkins’ "Crescent City Blues" abgekupfert war. Seine Pillensucht bis zu der legendären Verhaftung in El Paso wird ebenfalls behandelt, wobei Merle Haggard weiß, nicht nur Cash, sondern "das ganze Land war damals auf Amphetaminen, um leistungsfähig zu bleiben."
Natürlich nehmen die legendären Knastkonzerte in Folsom Prison und San Quentin und damit Cashs absoluter Zenith und kommerzieller Höhepunkt entsprechend großen Raum ein. Dazu Clive Davis, Ex-Chef von Columbia Records: "Mit dem 'Folsom'-Album gewann er neben Country- und Folk- auch die Rockfans hinzu." Anschließend gab er zwei Jahre lang (von 1969 bis 1971) den TV-Show-Gastgeber auf ABC und förderte viele junge Talente, darunter Bob Dylan, den er als erster überhaupt ins Fernsehen holte. Aus der Show gibt es einige hübsche Ausschnitte, unter anderem mit Dylan, Joni Mitchell und Ray Charles.
Absturz und glanzvolles Comeback
In den späten 70er Jahren begann dann der Abstieg. Eine schlechte Songauswahl (Cash selbst hatte seit Ende der 60er Jahre keinen einzigen eigenen Song mehr geschrieben), dadurch miese Plattenverkäufe, noch miesere Karriere-Ratschläge vermeintlicher Besserwisser, der Rauswurf bei Columbia Records (Toningenieur Don Ferguson: "Das hat seine Gefühle tief verletzt.") und der Absturz in die Bedeutungslosigkeit in den 80er Jahren. Winzige Hallen, wenige Fans. Rodney Crowell, Country-Sänger und Ex-Schwiegersohn, erinnert sich: "Es war ihm peinlich, wenn wir ihn bei solchen Konzerten sahen."
Die Kehrtwende leitete Rick Rubin ein: "Ich fragte mich, wie es wäre, mit einem Künstler zusammenzuarbeiten, der nicht mehr erfolgreich ist. Als erstes fiel mir Cash ein." Seiner glanzvollen "American Recordings"-Phase - sicher das größte Comeback in der Geschichte der populären Musik überhaupt - sind die letzten, kraftvollen und rührenden Minuten der Dokumentation gewidmet, inklusive eines Ausschnitts von einem Promo-Konzert (im Viper Room, Los Angeles), vor dem Cash "Angst hatte, weil er noch nie ohne Band aufgetreten war", so Rubin.
Cash über die Zusammenarbeit mit Rubin, der ihm quasi eine Rückkehr zu sich selbst ermöglichte: "Es war eine Gelegenheit, zurück zur Musik zu finden. Für mich war das himmlisch, wie am Anfang.". Der Jubel war grenzenlos, der Rest ist Geschichte.
Fazit: Johnny Cashs Leben in 83 Minuten, dazu Interviews mit Stars wie Merle Haggard, Willie Nelson, Kris Kristofferson, u.a., die teilweise auch Cash-Songs live einspielen. Schade ist lediglich, dass eine zeitliche Einordnung der Geschehnisse immer recht vage bleibt und man den deutschen Voice-Over nicht abschalten kann. Aber sonst eine gelungene Dokumentation.